Bluu Seafood eröffnet Europas erste Pilotanlage für kultivierten Fisch
Bluu Seafood hat seine Pilotanlage für kultivierten Fisch in Betrieb genommen. Damit geht das norddeutsche Cleantech-Unternehmen, das seinen Standort von Lübeck nach Hamburg-Altona verlagerte, den wichtigen Schritt raus aus dem Labor in die Massenfertigung. Zum Start hat die Pilotanlage eine Gesamtkapazität von 65 Litern – nach Angaben des Unternehmens besteht aber die Skalierungsmöglichkeit auf eine Produktionskapazität von 2.000 Litern. Auf 2.000 Quadratmetern Fläche ist Bluu in der Lage, Muskel-, Fett- und Bindegewebszellen von Atlantischem Lachs und Regenbogenforelle zu züchten.
Die Inbetriebnahme der Pilotanlage für kultivierten Fisch durch Bluu Seafood ist ein Novum in Europa und ein großer Meilenstein für die Entwicklung im Bereich alternativer Proteine, die als ungenutzte Klimachance gelten. Sogar der Bundestag hat im Jahr 2023 Millionen für die Proteinwende bereitgestellt.
Konkret gibt es am neuen Standort in Altona moderne Zell- und Molekularbiologielabore, Prozessentwicklungsräume sowie eine Testküche für Lebensmittelanwendungen. In den neuen Fermentern mit einer derzeitigen Gesamtkapazität von 65 Litern und einem Ausbaupotenzial auf bis zu 2.000 Liter ist BLUU Seafood in der Lage, Muskel-, Fett- und Bindegewebszellen von Atlantischem Lachs und Regenbogenforelle in deutlich größeren Mengen als bisher zu züchten.
Bei optimaler Temperatur sowie der entsprechenden Sauerstoff- und Nährstoffversorgung wachsen und teilen sich die tierischen Zellen genauso, wie sie es im lebenden Fisch auch tun. Die aus der Zellmasse entstehenden Fischprodukte wie beispielsweise Fischstäbchen oder Fischbällchen sind gentechnikfrei und im Gegensatz zu vielen wild gefangenen Fischen frei von Schwermetallen und Mikroplastik. Sie gleichen konventionellen Produkten sowohl in Geschmack und Nährstoffgehalt als auch im Kochverhalten.
Skalierung mit Pilotanlage für kultivierten Fisch
Mit der neuen Pilotanlage für kultivierten Fisch und der damit einhergehenden Skalierung geht Bluu Seafood den nächsten Schritt in Richtung industrielle Produktion. Dr. Sebastian Rakers (Linkedin), Gründer und Geschäftsführer, erklärt: „Mit den Möglichkeiten an unserem neuen Standort können wir die Entwicklung unserer Produkte weiter vorantreiben und den künftigen Markteintritt mit kultiviertem Fisch intensiv vorbereiten. Damit legen wir den Grundstein für die Belieferung erster Märkte. In Hamburg haben wir ideale Bedingungen, weiter zu wachsen und die Herstellungskosten kontinuierlich zu senken.“
Momentan lägen die Kosten für die Produktion von kultiviertem Fisch zwar noch über dem Durchschnittspreis von Wild- und Zuchtfisch, doch mit wachsenden Kapazitäten werde sich das nach und nach ändern. „Wir werden nur dann einen echten Wandel zu mehr Nachhaltigkeit in unserer Ernährung erreichen, wenn Produkte auf Basis alternativer Proteine in größerer Stückzahl verfügbar und zugleich auch bezahlbar sind. Daran arbeiten wir bei Bluu Seafood.
Kultivierter Fisch gilt als neues Lebensmittel
Obwohl sich kultivierter Fisch auf der Zellebene nicht von Wildfang oder Zuchtfisch unterscheidet, gilt er als neues Lebensmittel und wird in allen Märkten vor der Zulassung gründlich geprüft. So wird die Nahrungsmittelsicherheit sichergestellt.
Und genau darin sieht Prof. Nick Hin-Li ein entscheidendes Handicap für die Markteinführung, die er nicht so schnell erwartet: „Vermutlich nicht mehr in diesem Jahrzehnt. Das liegt daran, dass der zweistufige Zulassungsprozess für sogenanntes Novel Food auf EU-Ebene stattfindet. Die erste Stufe, eine Sicherheitsprüfung, ist kein Problem. Die zweite Stufe ist der politische Willensbildungsprozess – eine Mehrheit der EU-Staaten muss zustimmen. In einigen Staaten, zum Beispiel Italien, Frankreich und Österreich, sind die Bedenken gegen kultiviertes Fleisch groß, deshalb bin ich skeptisch, dass das notwendige Quorum in absehbarer Zeit erreicht werden kann.“
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.