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Wie Plagazi aus Rotorblättern hochreinen Wasserstoff machen will

Plagazis Plasma-Technologie soll Erzeugung von kostengünstigem, grünem Wasserstoff aus Abfallstoffen ermöglichen.

Im brandenburgischen Premnitz soll in den kommenden zwei Jahren eine Anlage entstehen, die beinahe beliebige Abfälle in ihre Bestandteile zerlegen, und daraus Wasserstoff, CO2 und Wärme gewinnen soll. Das Verfahren stammt vom schwedischen Cleantech-Unternehmen Plagazi, das seit einer Dekade einen Plasma-Reaktor in den USA betreibt, um aus Abfällen Synthesegas für die Verstromung zu machen. Mit dem Hype um Wasserstoff wurde das Plagazi-Verfahren erweitert: Aus der Anlage soll nun neben dem grünen Gas auch verwertbares CO2 sowie Schlacke kommen.

Die Neue Energien Premnitz GmbH will in dem brandenburgischen Ort rund 50 Millionen Euro in die neuartige Müllverwertungs-Technologie von Plagazi investieren. Dahinter steckt der in Ostdeutschland stark verwurzelte Recycler Richter Recycling, der sich neu in Premnitz ansiedeln möchte. Im September vergab das Unternehmen den Auftrag für ein technisches Gutachten an das schwedische Cleantech-Unternehmen.

Die Richter Recycling-Gruppe zeigt viel Mut, denn das Unternehmen will im Havelstoff genannten Vorhaben die erste Plagazi-Anlage in Europa bauen. Klappt alles, könnte 2023 der erste grüne Wasserstoff aus Abfall zum Weiterkauf an Kunden aus der Region zur Verfügung stehen. Den Planungen zufolge sollen aus bis zu 44.000 Tonnen Abfall jährlich etwa 7.500 Tonnen grüner Wasserstoff entstehen.

Die Versprechen rund um das Plagazi-Verfahren sind groß: Die Plasma-Vergasungstechnologie soll sich im Rahmen des energieintensiven Prozesses zu mehr als 70 Prozent selbst mit Energie versorgen. Im Reaktor selbst sollen Temperaturen von mehr als 3.000 Grad Celsius erzeugt werden – mit dem Ziel, die Abfälle in Atome zu zerlegen. Als Nebeneffekt sollen schädliche Gase wie Dioxine bei diesen hohen Temperaturen mit verbrannt werden.

Plagazi-Verfahren: Geschlossener Prozess

Nach Angaben von Plagazi handelt es sich bei dem patentierten Verfahren um einen geschlossenen Prozess, so dass kein Kohlendioxid oder andere schädliche Gase unkontrolliert entweichen können. Am Ende der Prozesskette sollen im Wesentlichen drei verwertbare Produkte übrig bleiben: Hochreiner Wasserstoff, ungefährliche Schlacke (zB für Straßenbau) und flüssiges Kohlendioxid.

Plagazi-Prozess zur Herstellung von grünem Wasserstoff
Der patentierte Plagazi-Prozess

Seit 2007 befasst sich Plagazi mit dem Verfahren der Plasma Gasification. Dabei werden Abfälle nicht verbrannt, sondern bei extrem hohen Temperaturen in ihre Bestandteile zerlegt. Das Verfahren ähnelt dem des amerikanischen Cleantech-Unternehmen SGH2, das in der Stadt Lancaster in Kalifornien entsprechende Anlagen bauen will.

Das abgeschiedene Kohlendioxid kann entweder beispielsweise im Rahmen des Projekts Northern Lights dauerhaft gespeichertPlagazi und damit der Atmosphäre entzogen werden oder als Rohstoff zum Beispiel in der Bauindustrie wiederverwendet werden – damit sich der CO2-Kreislauf zumindest schließen kann.

Plagazi-CEO Torsten Granberg möchte mit seinem Verfahren der Plasma-Vergasung gleich zwei Probleme auf einen Schlag lösen: Einerseits sollen nicht-recyclebare Abfälle wieder einem Kreislauf zugeführt werden. Andererseits soll grüner Wasserstoff zu extrem günstigen Kosten erzeugt werden.

Was das Plagazi-Verfahren ausmacht ist diese einzigartige Kombination aus Pyrolyse-Verfahren und Plasma-Gasifizierung. Technologien, die vielfältig erprobt und getestet werden – aber bislang nur selten im operativen Betrieb das halten, was Hersteller und Entwickler versprechen.

ASR- und GFK-Abfälle für die Plasma-Vergasung

Zu den nicht-recyclebaren Abfällen zählen bislang sogenannte ASR-Abfälle (Automotive Shredder Residue). Dabei handelt es sich um in faustgroße Stücke zerkleinerte, bislang nicht verwertbare Reste von Autos oder Haushaltsgroßgeräten. Vom Schweizer Bundesamt für Energie wurde Plagazi nach eigener Aussage beauftragt, die Strategie für das ASR-Recycling zu etablieren. Bislang wird ein Großteil dieser Abfälle nicht recycelt, sondern lediglich deponiert. Allein die Mengen entsprechender Abfälle in der Alpenrepublik reichen aus, um drei Plasma-Vergaser vom Typ HE-2000 für Jahrzehnte zu betreiben. Jede dieser Anlagen braucht 20.000 Tonnen Abfall pro Jahr.

Noch weitaus größer ist die Herausforderung, die Plagazi gemeinsam mit seinem Hauptlieferanten InEnTec in Angriff nehmen möchte. In der von InEnTec betriebenen Pilotanlage in den USA wurde zuletzt getestet, ob Rotorblätter in der Plasmavergasung genutzt werden können. Das Ergebnis: Die Reste der Windkraftanlagen können vollständig zu grünem Wasserstoff verwertet werden. Und: Enthaltenes Glasfaser kann zum Recycling aufgefangen werden.

In Deutschland ist die Deponierung sogenannter GFK-Abfälle seit 2005 per Gesetz verboten. Zumeist werden die Rotorblätter bislang im Schredder zerkleinert, und metallische Reste entfernt. Aus dem Rest entsteht dann beispielsweise ein Ersatzbrennstoff und Sandersatz für die Zementindustrie. Die Zuführung zu entsprechenden thermischen Prozessen bei der klassischen Verbrennung ist aber nur in kleinen Mengen möglich.

Schätzungen zufolge werden allein in Europa bis 2023 mehr als 10.000 Windturbinenflügel außer Betrieb genommen. Laut Plagazi entspricht das einer Größenordnung von bis zu 60.000 Tonnen, die mehrere Anlagen vom Typ HE2000 über mehrere Jahre auslasten könnten.

Grüner Wasserstoff für 2,80 € pro kg

Einer Lebenszyklus-Analyse von DNV zufolge ist der aus dem Plagazi-Verfahren hervorgehende Wasserstoff grün, unter Umständen sogar „CO2-negativ“. Ein entsprechendes Zertifikat hat Plagazi erhalten. Dabei bezieht sich der „negative CO2-Fußabdruck“ auf die Netto-Reduzierung der Emissionen im Vergleich zu bestehenden Prozessen wie etwa dem der Müllverwertung.

Maßgeblich für die CO2-Bilanz des Plagazi-Prozesses ist dabei, ob das abgeschiedene CO2, das in flüssiger Form vorliegt, recycelt oder gespeichert werden kann. Wird das Nebenprodukt zu 90 Prozent genutzt, ergibt sich rechnerisch ein Fußabdruck von -9,45 CO2 pro Kilogramm Wasserstoff. Im Szenario ohne CO2-Nutzung liegt der Wert bei -0,67. Auch im Rahmen einer Sensitivitätsanlayse ergibt es sich demnach: Der Wasserstoff aus dem Plagazi-Prozess ist grün.

Und der Preis? Plagazi errechnet Produktionskosten für grünen Wasserstoff von 0,50 bis 2,80 Euro pro Kilogramm. In Anlagenkalkulationen, die Cleanthinking.de einsehen konnte, wird wiederum mit einem Verkaufspreis von 5,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff an Endnutzer kalkuliert. Zum Vergleich: Die Produktionskosten von grünem Wasserstoff auf Basis des bislang bevorzugten Verfahrens der Elektrolyse liegen heute bei 6 bis 8 Euro – sehr stark abhängig von der Verfügbarkeit und dem Preis erneuerbarer Energien.

Anlage in Premnitz: Breakeven nach 5 bis 6 Jahren?

Zurück nach Premnitz, wo ab 2023 der Betrieb einer HE6000-Anlage beginnen soll. Unter Einbeziehung einer Abfall-Einlieferungsgebühr von 0,03 Euro pro Kilogramm und der wesentlichen Abfallart Plastik soll die Anlage bereits nach fünf bis sechs Jahren den Breakeven erreichen.

Neben der Planungen für die Anlage in Premnitz, die auch schon mit Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach besprochen wurde, arbeitet Plagazi auch mit Königs Kommun, Dillinger und Cemex / Enegas an einer entsprechenden Zusammenarbeit. Es scheint, als würde sich gerade herumsprechen, dass Plagazi-Anlagen eine Alternative zur klassischen Müllverbrennung sein können.

Noch klingt das, was das Cleantech-Unternehmen Plagazi verkündet, ein wenig zu gut, um vollständig glaubhaft zu sein. Spätestens 2023 wissen wir besser, ob Torsten Granberg und sein Team dauerhaft und zu den angegebenen Kosten grünen Wasserstoff liefern können.

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