Der Druck, Alternativen zu fossilem Öl, Benzin und Diesel zu entwickeln, steigt kontinuierlich. Die Forschung ist in vollem Gange: Synthetische Kraftstoffe lassen sich beispielsweise aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Ökostrom erzeugen (vgl. Sunfire) oder, wie es Fraunhofer plant, aus Klärschlamm. Kürzlich trat nun ein Berliner Cleantech-Startup aus dem Schatten an die Öffentlichkeit und stellte seine Technologie der Plasmalyse vor. Damit sollen Schadstoffe im Abwasser in E-Gas umgewandelt werden.
Die Technoloogie von Graforce aus Berlin klingt ein wenig skurril, weil sie für Laien schwer nachvollziehbar ist. Klar ist: Das junge Unternehmen, das vom Diplom-Mathematiker und Doktor für theoretische Medizin Dr. Jens Hanke aufgebaut wird, will Emissionen von Fahrzeugen und Anlagen um 30 bis 60 Prozent reduzieren. Der Autobauer Audi, der in zahlreiche Technologien zur Produktion von e-Gas und e-Fuels investiert hat, hat auch an der Lösung von Graforce Interesse bekundet.
Die Plasmalyse erzeugt ressourcenschonend und mit hohem Wirkungsgrad Wasserstoff. Dieser wird mit Biogas gemischt, so dass ein günstiges E-Gas als Kraft- oder Brennstoff. Grundlage für das Verfahren ist die Verbindung verschiedener Abwasser-Arten. Graforce kooperiert mit den Berliner Wasserbetrieben. Audi prüft derzeit, ob die Plasmalyse-Technologie am Standort Werlte nutzbringend eingesetzt werden kann, um die Wasserstoffausbeute und die Gesamteffizienz zu erhöhen.,
„Sich auf eine einzige Technologie wie den Elektroantrieb zu fokussieren, ist für die Reduktion der Schadstoffemissionen nicht zielführend“, sagt Dr. Jens Hanke, der schon seit 2010 an der Technologie arbeitet. „Es bedarf der Vielfalt und eines gesunden Wettbewerbs innovativer Ansätze, um eine erfolgreiche Verkehrswende herbeizuführen. E-Gas kann hierzu einen maßgeblichen Beitrag leisten.“
Hoffnungsvoll sind die Aussichten für die Kosten der Plasmalyse-Technologie: Während die Kosten für die Wasserstoff-Herstellung in herkömmlichen Verfahren bei sechs bis acht Euro pro Kilogramm Wasserstoff liegen, sind es mit dem Plasmalyzer nach Angabe von Graforce drei Euro (Basis: 0,08 Euro Stromkosten pro kWh).
Als Ausgangsstoff wird das sogenannte Zentrat- und Brüdenwasser genutzt. In einem Berliner Klärwerk soll im nächsten Schritt eine Pilotanlage entstehen. Dort soll der aus den Abwässern gewonnene Kraftstoff zur Betankung der eigenen Erdgas-Fahrzeuge genutzt werden. Die Berliner Wasserbetriebe prüfen, ob diese Lücke künftig mit umgerüsteten Großfahrzeugen und selbst erzeugtem E-Gas geschlossen werden kann. Außerdem soll untersucht werden, ob sich das E-Gas auch als Brennstoff für die betriebseigenen Blockheizkraftwerke zur Emissionsreduktion eignet.
So funktioniert die Plasmalyse genau
Die Abwässer aus Klärwerken, Biogas- oder Industrieanlagen enthalten einen hohen Anteil an Stickstoffverbindungen. Durch den Plasmaprozess wird das Wasser (H2O) sowie darin enthaltene Stickstoffverbindungen (Harnstoff, Aminosäuren, Nitrate und Ammonium) in einzelne N-, H- und O-Atome aufgespalten. Diese verbinden sich anschließend neu. Das nun gereinigte Wasser kann wieder dem natürlichen Kreislauf zugeführt werden, während Wasser-, Sauer- und Stickstoff in eine Gasmembran geleitet und dort sortiert werden. Stick- und Sauerstoff entweichen in die Luft, der verbleibende Wasserstoff wird in einen Tank gefüllt. Anschließend wird der Wasserstoff mit Biogas gemischt. Das dabei entstehende Endprodukt ist E-Gas.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.