PowerCo: Kann Volkswagen mit eigener Batterieproduktion Tesla und BYD noch einholen?

Die Automobilwelt steht an einem Wendepunkt. Während Pioniere wie Tesla und BYD längst die Elektromobilität vorantreiben und ihre Batterien selbst produzieren, hat Volkswagen lange gezögert. Doch jetzt prescht der Wolfsburger Konzern mit seiner Tochterfirma PowerCo nach vorne und will die verlorene Zeit aufholen. Eine ambitionierte Offensive, die die gesamte Batterie-Wertschöpfungskette revolutionieren und VW zum globalen Batterie-Player machen soll.

Volkswagen will Standardfabrik und Einheitszelle als Blaupause für globale Expansion

Das Herzstück dieser Strategie bildet das Konzept der Standardfabrik. Volkswagen setzt auf standardisierte Produktionsprozesse, Gebäude und IT-Systeme, um eine schnelle Skalierung und globale Expansion zu ermöglichen. Der Konzern bündelt seine weltweiten Batterieaktivitäten in der Tochtergesellschaft. Ein weiteres Ziel ist die Weiterentwicklung der Zelltechnologie.

Die erste Gigafabrik in Salzgitter soll 2025 mit der Serienfertigung von Batteriezellen beginnen und dient als Blaupause für weitere Standorte in Europa und Nordamerika, wie Valencia (2026) und St. Thomas in Kanada (2027). Diese Gigafactories sollen neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit und Innovation setzen und zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Wann kommt die VW Einheitszelle?

Die VW Einheitszelle (Unified Cell) soll ab 2025 in Serie gehen, könnte sich aber verzögern. Sie soll in 80 Prozent der VW-Elektroautos eingesetzt werden und bis zu 50 Prozent der Batteriekosten einsparen. Geplant ist die Verwendung der Lithium-Eisenphosphat-Chemie (LFP).

Die Einheitszelle, eine prismatische Zelle mit flexiblem Einsatz verschiedener Zellchemien, ist ein weiterer Eckpfeiler der PowerCo-Strategie. Sie soll in bis zu 80 Prozent aller Konzernmodelle zum Einsatz kommen und so enorme Synergieeffekte ermöglichen. Die ersten Zellen sollen 2025 vom Band laufen und im ID.2 debütieren. Durch Standardisierung und Skaleneffekte will Volkswagen die Batteriekosten um bis zu 50 Prozent senken und Elektroautos für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich machen.

IONWAY: Strategische Partnerschaft für Kathodenmaterial

Um den ambitionierten Wachstumsplan zu realisieren, hat PowerCo eine strategische Partnerschaft mit Umicore geschlossen. Das Joint Venture IONWAY soll die europäische PowerCo Gigafactory mit Kathodenmaterial versorgen, einem der wichtigsten und teuersten Bestandteile von Batterien.

Bis Ende des Jahrzehnts soll IONWAY genug Kathodenmaterial für 2,2 Millionen Elektroautos pro Jahr produzieren. Diese Partnerschaft sichert Volkswagen nicht nur den Zugang zu hochwertigen Materialien, sondern ermöglicht auch eine nachhaltige und transparente Lieferkette in Europa.

Auf der Suche nach dem nächsten großen Ding

Volkswagen ruht sich nicht auf der Einheitszelle und der Partnerschaft mit Umicore aus. Das Unternehmen forscht intensiv an zukunftsweisenden Technologien wie Festkörperbatterien, die in Zusammenarbeit mit dem Cleantech-Startup QuantumScape entwickelt werden. Diese Technologie verspricht eine höhere Energiedichte, schnellere Ladezeiten und eine längere Lebensdauer – ein echter Game-Changer für die Elektromobilität. Ein Prototyp hat bereits 1.000 Ladezyklen erfolgreich absolviert, was etwa 500.000 gefahrenen Kilometern entspricht.

Auch bei der Produktion setzt Volkswagen auf Innovationen. Die Trockenbeschichtung von Elektroden, eine vielversprechende Technologie zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung, soll bei PowerCo 2026 in Serie gehen. Allerdings hat Tesla hier bereits einen entscheidenden Vorsprung: Der US-amerikanische Konkurrent hat nach eigenen Angaben die Trockenbeschichtung sowohl von Anoden als auch von Kathoden erfolgreich gelöst und beginnt nun mit der Skalierung dieser Technologie.

Teslas neueste 4680-Zellen, die im Cybertruck zum Einsatz kommen, nutzen Trockenkathoden, was die Produktion deutlich effizienter und nachhaltiger macht. Dieser technologische Vorsprung könnte Tesla einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Grüne Energieversorgung – Ambitionierte Ziele mit strategischen Partnerschaften

Ein wichtiger Aspekt der Strategie des Cleantech-Unternehmens ist die Versorgung der Gigafabriken mit 100 Prozent Ökostrom. Während die eigene Dach-PV in Salzgitter lediglich 1-2 Prozent des Strombedarfs deckt, setzt der Batteriespezialist auf eine Kombination verschiedener Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen. Neben der Erweiterung von Freiflächenanlagen, wie in Valencia geplant, sucht das Unternehmen aktiv nach Power Purchase Agreements (PPAs) mit Energieversorgern.

Diese langfristigen Verträge sichern der Volkswagen-Tochter Direktlieferungen von erneuerbaren Energien und gehen über den bloßen Kauf von Zertifikaten hinaus. Damit unterstreicht Volkswagen sein Engagement für eine nachhaltige und emissionsfreie Produktion.

Zero Scrap Factory und Recycling – Nachhaltigkeit als Grundpfeiler

Um Ressourcen zu schonen und die Umweltbelastung zu reduzieren, setzt PowerCo auf eine „Zero Scrap Factory„, in der sowohl Produktionsausschuss als auch ausgediente Batterien recycelt werden sollen. Dieser Ansatz unterstreicht das Bemühen von Volkswagen, die Elektromobilität nachhaltig zu gestalten und einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten.

PowerCo-Wettlauf gegen die Zeit mit ungewissem Ausgang

Mit PowerCo hat Volkswagen eine ambitionierte Batterie-Offensive gestartet und will bis 2030 mehr als 20 Milliarden Euro in den Geschäftsbereich investieren. Doch ob der Konzern den Rückstand auf Tesla und BYD aufholen kann, bleibt abzuwarten. Der späte Einstieg in die vertikale Integration könnte sich als teurer Fehler erweisen, während die Konkurrenz bereits meilenweit voraus ist.

Dennoch: Volkswagen hat die Zeichen der Zeit erkannt und investiert massiv in die Zukunft der Elektromobilität. Mit innovativen Technologien, einer ambitionierten Gigafactory-Strategie, zahlreichen PowerCo Standorten, Partnerschaften wie IONWAY und einem Fokus auf Nachhaltigkeit will der Konzern beweisen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Ob das reicht, um den Anschluss an die Spitze zu schaffen, wird die Zukunft zeigen. Eines ist jedoch sicher: Der Wettlauf um die Batterie der Zukunft hat gerade erst begonnen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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