Preissturz bei Solarstrom und Speicherung macht die globale Klimawende günstiger als erwartet
Fast 90 Prozent Kostensenkung innerhalb von zehn Jahren. MCC-geführte Studie zum Effekt von Technik- und Produktinnovation.
Ein gewaltiger Preissturz bei sauberen Technologien zur Stromerzeugung und Speicherung macht die globale Klimawende günstiger als erwartet. Eine Studie des Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) zeigt: Die Stromerzeugung aus Solarenergie ist in zehn Jahren um 87 Prozent billiger geworden. Die Speicherung der elektrischen Energie in Batterien verbilligte sich um 85 Prozent. Bedeutet: Der Kampf gegen die Erderhitzung bleibt zwar eine enorme politische Herausforderung – doch immerhin eröffnen sich neue, günstigere Wege.
Neben dem Preissturz bei Photovoltaik und Stromspeichern, gibt es auch bei weiteren sauberen Effizienztechnologien eindeutige Entwicklung. Etwa bei der Windenergie, bei Wärmepumpen und weiteren fossilfreien Technologien. Die neue Studie des MCC, die in der Fachzeitschrift Energy Research & Social Science hat Befunde aus Innovationsreports mit gängigen, modellgestützten Szenarien der Klimawende verglichen.
Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass gute Lebensqualität auch mit deutlich weniger Energieaufwand zu haben ist. „Es gibt schon Rechnungen, wonach der gesamte weltweite Energieverbrauch im Jahr 2050 komplett und kostengünstig durch Solar und andere Erneuerbare gedeckt werden könnte“, berichtet Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Leitautor der Studie.
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„Das ist ein extrem optimistisches Szenario – aber es verdeutlicht, dass die fossilfreie Zukunft möglich ist. Die Klimawissenschaft, die der Politik in ihren Szenario-Modellen Orientierung gibt, muss darin den technischen Fortschritt möglich gut abbilden. Unsere Studie soll dazu einen Input liefern.“
Fossilfreie Alternativen stehen im Fokus
Der Untersuchung zufolge könnte die Klimawende anders ablaufen als erwartet. Derzeit wird in mit dem Paris-Abkommen kompatiblen Szenarien, also mit deutlich unter 2 Grad Erderhitzung, auch künftig viel Kohle verbrannt und dabei das entstehende CO2 abgetrennt und unterirdisch eingelagert. Auch das mit CO2-Abscheiden und -Speicherung kombinierte Verbrennen von Biomasse (Holzpellets, Biogas sowie auf sogenannten Klimaplantagen kultivierte schnell wachsende Pflanzen) gilt derzeit als großflächig gesetzt, trotz negativer Folgen für Nahrungsmittelproduktion und Artenvielfalt.
Doch das Forschungsteam trägt Indizien zusammen, wonach stattdessen fossilfreie Alternativen zum Game-Changer werden könnten.
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So kosten schon jetzt Batterien nur noch weniger als 100 US-Dollar je Kilowattstunde – deutlich weniger, als in einer Publikation von vor zwei Jahren für das Jahr 2030 vorausgesagt wurde. Der Preisaufschlag für Batteriespeicherung, der Sonnenstrom in einem optimalen Mix flexibel verfügbar macht, sinkt bis 2030 von aktuell 100 auf nur noch 28 Prozent. Inzwischen fahren die ersten auf Profit ausgerichteten Stromversorger alte Kohlekraftwerke herunter und ersetzen sie durch neue Hybridsysteme aus Solarstrom und Speicherung.
63.000 Terawattstunden Sonnenergie
Für 2050 rechnen Fachleute mit weltweit 63.000 Terawattstunden Sonnenenergie – das wäre doppelt so viel wie heute die Kohle liefert. Und 80 Prozent der privaten Investitionen in neue Energieerzeugung sind inzwischen fossilfrei. Allerdings verweist das Forschungsteam auf die politische Ökonomie der Kohle: Rücksichtnahme etwa auf Arbeitsplätze, Steuerzahlungen, politische Sachzwänge oder finanzielle Liquidität lässt Regierungen auch dann noch in Kohle investieren, wenn sich Erneuerbare eigentlich besser rechnen.
Umfassender Strukturwandel führt zur Kostensenkung
Die MCC-Studie beschreibt darüber hinaus einen umfassenden Strukturwandel, der die Klimawende günstiger macht. So profitieren etwa Solarzellen, Batterien, Wärmepumpen und Windräder vom Trend in Richtung granularer Technologien: also Lösungen mit einfachen Elementen, die sich wie Legosteine zu größeren Systemen zusammenstecken lassen. Hier ist das Innovationstempo größer als bei klassischen Großanlagen.
Zudem haben neue Anbieter unerwartet viel Erfolg mit energiesparenden Lösungen im Alltagskonsum – vom Veganschnitzel im Supermarkt über den E-Scooter an der Straßenecke bis zum All-in-all-Gerät im Elektrogeschäft. Und schließlich sorgt die Sektorkopplung, also direkte und indirekte Elektrifizierung von Verkehr, Heizen und Industrie, für viel mehr Energieeffizienz und zudem neue Möglichkeiten, Grünstrom zu speichern – etwa in E-Autos, synthetischen Gasen für die Industrie oder E-Fuels für Flugzeuge und Schiffe.
Technischer Fortschritt sorgt für Lichtblick
„Die Treibhausgas-Emissionen sind so hoch wie nie, die bisher ergriffenen Maßnahmen sind zu schwach, doch in dieser politisch verfahrenen Lage sorgt der technische Fortschritt für einen Lichtblick“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitswissenschaft und einer der Co-Autoren. „Neue, teils schon im Entstehen befindliche Szenario-Modelle könnten in absehbarer Zukunft zeigen, dass die globale Klimawende nicht so teuer wird wie bisher angenommen und unter Umständen sogar Kosten spart – sofern sie denn endlich angegangen wird.“
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.