Habeck-Strategie als Grundlage für zwei weitere Gesetzespakete rund um die Solartechnologie.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz treibt den Umbau des deutschen Energiesystems konsequent voran. Wirtschaftsminister Robert Habeck stellte Anfang Mai 2023 die gemeinsam mit der Solarbranche und seinem Haus entwickelte PV-Strategie vor. Diese enthält Maßnahmen, die den Photovoltaik-Ausbau pro Jahr auf 22 Gigawatt ab 2026 ausweiten sollen. Bis zum Sommer 2023 ist ein Gesetzespaket Solarpaket I vorgesehen – bis im Herbst das Solarpaket II. Der Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte der Habeck-Strategie.
Die übergreifende Botschaft der Photovoltaikstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ist unzweideutig: Bis 2030 muss die Photovoltaik-Leistung auf 215 Gigawatt ausgebaut werden, um das Ziel Klimaneutralität des Stromsektors bis 2035 nicht aus dem Auge zu verlieren. In Deutschland sollen dabei Freiflächen- und Dach-PV paritätisch zum ambitionierten Ziel beisteuern: Jeweils 50 Prozent. Die Steigerung von 7 Gigawatt in 2022, etwa 10 Gigawatt in 2023 auf 22 Gigawatt in 2026 ist gewaltig.
Bezogen auf den Bruttostromverbrauch bedeutet das: Statt wie im Jahr 2022 254 Terawattstunden Solarstrom sollen im Jahr 2030 600 Terawattstunden erreicht werden. Damit trägt die Photovoltaik dann entscheidend zum Ziel bei, 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken. Der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien ist somit die treibende Kraft für die Transformation zur Klimaneutralität.
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Aber der Ausbau der Solarenergie ist alternativlos. Insbesondere deshalb, weil Photovoltaik einer der günstigsten Energieträger ist und somit zu den wichtigsten Stromerzeugungsquellen der Zukunft gehört.
Mit der PV-Strategie BMWK liegt das Ministerium im globalen Trend: Lag der Zubau der Solarenergie weltweit im Jahr 2012 noch bei 30 Gigawatt, so ist in diesem Jahr eine Größenordnung von mindestens 300 Gigawatt zu erwarten – manche Experten erwarten sogar 400 Gigawatt. Tendenz? Weiter stark steigend.
Handlungsfelder der Photovoltaikstrategie
Die PV-Strategie von Robert Habeck will den Ausbau der Photovoltaik so ausgestalten, dass das Gesamtsystem der Energieversorgung optimiert wird. Dazu sind elf Handlungsfelder der Photovoltaikstrategie mit Maßnahmen definiert worden. Jedes dieser Handlungsfelder erhält in der PV-Strategie eine Art „Zielbild“, in dem kurz beschrieben wird, wie der Zustand sozusagen 2030 sein soll.
Die Maßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern werden über ein Solarpaket I und II in Gesetze gegossen. Das erste Paket soll vor Sommer 2023 verabschiedet werden. Das Solarpaket II dann im Herbst.
Elf Handlungsfelder im Überblick
- Freiflächenanlagen stärker ausbauen
- Photovoltaik auf dem Dach erleichtern
- Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung vereinfachen
- Nutzung von Balkon-PV erleichtern
- Netzanschlüsse beschleunigen
- Akzeptanz stärken
- Wirksame Verzahnung von Energie- und Steuerrecht sicherstellen
- Lieferketten sichern und wettbewerbsfähige, europäische Produktion anreizen
- Fachkräfte sichern
- Technologieentwicklung voranbringen
- Den schnellen PV-Ausbau auch mit europapolitischen Instrumenten vorantreiben
Die Übersicht der Handlungsfelder von Habecks PV-Strategie macht bereits deutlich, dass alle Akteure einbezogen werden: Vom Vermieter (Mieterstrom) über den Planer und Investor (Freiflächenanlagen), Eigentümer (PV auf dem Dach) und Mieter (Balkonkraftwerke) bis zu den Unternehmern und Forschungseinrichtungen. In sämtlichen Bereichen ist bereits etwas geschehen, seit die Ampel-Koalition mit der Arbeit begonnen hat – aber es gibt immer noch viele Hürden und Hemmnisse, die in den gesetzlichen Solarpaketen gekippt werden sollen.
Die PV-Strategie zeigt zentrale Maßnahmen auf, um den Zubau von PV-Freiflächenanlagen zu stärken. Diese umfassen unter anderem Klarstellungen und Erleichterungen in der Baunutzungsverordnung sowie im Baugesetzbuch, ein Konzept für eine bessere Nutzung von Agri-PV-Anlagen, eine Öffnung benachteiligter Gebiete sowie eine Definition von Biodiversitäts-PV.
Photovoltaik auf dem Dach
Ziel des BMWK ist es, PV- und Solarthermieanlagen im Gebäudebereich zum Standard zu machen. So wird jedes neue oder grundlegend sanierte Gebäude mit einer Solaranlage ausgestattet. Die Strategie setzt Anreize, dabei das gesamte Dach auszunutzen. Besonders erfreulich: Aus Sicht des Ministeriums soll es zu einem „Kinderspiel“ werden, eine PV-Dachanlage ans Netz zu bringen.
Viele private Dachanlagen werden mit dem Ziel betrieben, einen möglichst hohen Anteil des Stroms selbst zu nutzen (Eigenverbrauchsoptimierung). Die PV-Anlage kann dabei zum Herzstück eines heimischen Energiemanagements werden, indem sie das Elektroauto, die Wärmepumpe oder den heimischen Speicher mit eigenerzeugtem Strom versorgt. Aber auch in Industrie und Gewerbe ist der Eigenverbrauch eine attraktive Möglichkeit, die Strombezugskosten zu senken und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Photovoltaik in der Freifläche
PV-Freiflächenanlagen haben entscheidende Vorteile: Sie sind besonders schnell zu errichten und wegen Skaleneffekten besonders günstig. Um Flächenkonkurrenz aus dem Weg zu gehen, spielt in der PV-Strategie die Doppelnutzung von Flächen eine große Rolle: Etwa in Form von Biodiversitäts-PV oder als Agri-PV.
Neben Agri-PV und Biodiversitäts-PV geht es auch darum, PV-Freiflächenanlagen an Autobahnen und Bahnstrecken verstärkt zu nutzen.
Überblick über die Solarpakete I und II (vollumfassend in der PV-Strategie, hier gewichtet):
Vorrangiges Ziel beider Solarpakete ist es, die Rahmenbedingungen so zu optimieren, dass der jährliche PV-Ausbau in den nächsten Jahren zügig aufwächst. Ab 2026 ist in Deutschland ein Zubau von 22 Gigawatt (GW) pro Jahr vorgesehen. Durch den beschleunigten Ausbau wird die Photovoltaik einen wichtigen Beitrag zu den übergeordneten klima- und energiepolitischen Zielen leisten können: 80 Prozent erneuerbare Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 und ein weitgehend treibhausgasneutraler Stromsektor im Jahr 2035.
Solarpaket I
- Mehr PV-Anlagen in Industrie- und Gewerbegebieten (Banutzungsverordnung)
- Erleichterungen im Baugesetzbuch
- Anlagenzusammenfassung bei Dachanlagen lockern
- Direktvermarktungspflicht anders gestalten und technische Anforderungen bei Kleinanlagen absenken
- Parallelbetrieb von zwei Anlagen auf einem Dach erleichtern
- Garten-PV vereinfachen
- Repowering von Dachanlagen zulassen
- Mieterstrom: Einführung virtueller Summenzähler
- Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
- Meldepflichten für Balkonkraftwerke vereinfachen
- Frist für Zählertausch verkürzen
- Wegenutzungsrecht für Anschlussleitungen
- Fachagentur Windenergie an Land auf Photovoltaik ausweiten
- Hemmnisse für Bürgerenergie abbauen
Solarpaket II
- Kategorie Parkplatz-PV schaffen
- Baugenehmigungsverfahren erleichtern
- Bauliche und technische Anforderungen an PV-Anlagen auf Dächern optimieren
- Vereinfachter Zugang zur Direktvermarktung
- Weiterführendes Energy Sharing ermöglichen
- Bauliche und technische Anforderungen an Balkon-PV optimieren
- Technische Anschlussbedingungen der 870 Verteilnetzbetreiber vereinheitlichen
- Bürgerenergieprogramm auf Photovoltaik ausdehnen
Für die weitere Entwicklung der Photovoltaik sind Forschung und Entwicklung entscheidend. Deutschlands Forschungsinstitute und Unternehmen sind Technologieführer entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Photovoltaik. Das Dokument gibt es hier zum Download.
Fazit zur Photovoltaikstrategie: Die PV-Strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft ist richtungsweisend und wird Deutschland auf den richtigen Pfad bringen, der notwendig ist, um Klimaneutralität zu erreichen. Angesichts der Fülle der Themen und Akteure, die eingebunden werden, ist die Dimension der Anstrengung klar. Umso bedeutsamer ist, dass die Solarbranche tief eingebunden wurde – und ganz viele Vorschläge und Ansätze übernommen wurden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.