Machbarkeitsstudie zu Refuels zeigt: Technisch machbar ist es, aber teuer wird es.
Fliegen muss teurer werden, um klimafreundlicher werden zu können. Eine Machbarkeitsstudie des Landes Baden-Württembergs zu sogenannten Refuels zeigt jetzt: Technologisch ist es möglich, aus den Abgasen der Zementindustrie abgeschiedenes CO2 zur Produktion von synthetischem Kerosin einzusetzen. Die Abgase einer solchen Industrieanlage reichen, um zwei Flughäfen der Größe Stuttgarts mit Refuels zu versorgen. Aber die Sache hat einen Haken.
Wie Maximilian Haller für das Schwäbische Tageblatt berichtet, wird Baden-Württemberg seine Klimaziele für 2020 nicht erreichen – und vor allem im Verkehrssektor deutlich mehr CO2-Emissionen ausstoßen als geplant. Im Landesverkehrsministerium wird deshalb daran gearbeitet, lokale Akteure zusammenzubringen, um das Fliegen klimafreundlicher zu machen.
Die Player sind im Kern das Cleantech-Startup Ineratec, das den sogenannten Power-to-Liquids-Prozess beherrscht. Das bedeutet: Synthetisches Kerosin wird auf Basis von CO2, Wasser und reichlich Ökostrom gewonnen. Der nächste Player ist eines der regional ansässigen Zementwerke – neben dem Favoriten Schwenk in Allmendingen, sind auch die Werke von HeidelbergCement in Schelklingen, von Opterra in Wössingen und Holcim in Dotternhausen denkbare Partner für eine Pilotanlage.
Abnehmer sogenannter Sustainable Aviation Fuels wäre die Flughafen Stuttgart GmbH. „Wir müssen technologisch alles dafür tun, den Luftverkehr deutlich klimaneutraler aufzustellen“, sagte die Geschäftsführerin Arina Freitag der Tageszeitung. „Wir wollen möglichst schnell und möglichst viel SAF bei uns vor Ort haben.“ Daher will der Flughafen im Jahr 2020 prüfen, wie sich solche Refuels möglichst effektiv in den Alltag am Flughafen Stuttgart einbinden lassen.
Haken: Refuels sind teuer in der Herstellung
Während konventionell hergestelltes Kerosin 450 Euro pro Tonne kostet, wäre der Preis von rein synthetischem Kerosin laut Timo Böltken, einem der Geschäftsführer der Ineratec GmbH, vier- bis achtfach teurer. Bedeutet rein rechnerisch: Zwischen 1.800 und 3.600 Euro. Der wesentliche Kostentreiber ist die Stromversorgung des energieintensiven Power-to-Liquids-Prozesses. „Der Strompreis macht 80 Prozent der Kosten aus“, so Böltken.
Die sogenannten Refuels oder auch Power Fuels stoßen bei der Verbrennung des Kraftstoffs etwa beim Fliegen „im Idealfall“ nur so viel Kohlenstoffdioxid aus, wie für die Herstellung der Kraftstoffe aufbereitet wurde. Allerdings, so betonen Experten wie Prof. Volker Quaschning aus Berlin, in luftiger Höhe freigesetztes CO2 entfalte eine deutlich stärker Wirkung als jenes CO2, das am Boden emittiert werde.
Das Potenzial solcher Kraftstoffe liegt dennoch bei erheblichen CO2-Minderungen: Potenziell können mehr als 50 Prozent der Treibhausgasemissionen aus der Luftfahrt durch den Einsatz von Refuels vermieden werden.
Entsteht eine Pilotanlage bei Schwenk in Allmendingen?
Die Machbarkeitsstudie der genannten Player hat gezeigt: Alle vier Zementwerke sind für eine Anlage, die CO2 abscheidet und daraus Kerosin herstellt, geeignet. Aus Sicht von Ineratec-Geschäftsführer Bötlken ist der Standort von Schwenk in Allmendingen besonders geeignet. Der Grund: Großes Flächenangebot um das Werk herum – zur Produktion erneuerbarer Energien.
Es ist gut, dass intensiv darüber nachgedacht wird, wie lokale und regionale Begebenheiten dazu genutzt werden können, den Verkehrssektor deutlich klimafreundlicher zu machen. Die Abscheidung von CO2 aus einem Zementwerk erscheint vertretbar, weil es noch viele Jahrzehnte dauern wird, bis wir dessen Herstellung auf heutige Art und Weise ersetzen können. Insofern ist Carbon Capture an Usage eine sinnvolle Alternative.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.