Moderne Windturbinen ernten die zehnfache Energiemenge – Studie zeigt Bedeutung des Repowering von Binnenstandorten.
Das sogenannte Repowering, also die Modernisierung existierender Standorte von Windkraftanlagen, spielt für die Energiewende eine zentrale Rolle. Eine Studie zeigt, dass die aktuelle Generation mit von Windenergieanlagen mit Leistungen von fünf bis sieben Megawatt in der Lage sind, an „mittleren“ Binnenstandorten zehn Mal so viel Strom zu ernten, wie die Vorgängermodelle, die etwa im Jahr 2000 installiert wurden. Bedeutet im Umkehrschluss: Es braucht demnach bundesweit lediglich 35.000 gute Standorte – also nur rund 20 Prozent mehr als heute – um im Jahr 2040 700 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie zu erzeugen.
Spätestens die Hochwasser-Katastrophe der vergangenen Wochen hat verdeutlicht: Es gilt jetzt, die Fesseln beim Umbau des Energiesystems zu lösen, und die Kohleverstromung so schnell wie irgendwie möglich zu beenden. Natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen, anderen EU-Staaten und möglichst weltweit.
Derzeit laufen vorbereitende Minister-Gespräche in London – Deutschland vertreten durch Staatssekretär Jochen Flasbarth – bei denen es genau an diesem Punkt gewaltig hakt. Es wäre aber so wichtig, dass die G20-Staaten, die 80 Prozent der globalen Emissionen verantworten, Einigkeit erzielen. Damit COP26 im November in Glasgow zu einem neuen Aufbruch führen kann. Bis dahin wird es, leider, weitere Extremwetterereignisse geben, die die Dringlichkeit unterstreichen werden.
Mehr Dynamik beim Ausbau der Windenergie
Bezogen auf Deutschland bedeutet die neue Dringlichkeit, die sich zunächst mal in der Wahlkampf-Rhetorik der demokratiefreundlichen Parteien widerspiegelt: Es braucht mehr Dynamik beim Ausbau der Windenergie an Land (und schnellere Genehmigungen für Windkraft auf dem Meer). Dabei verdeutlicht die Studie, für ein deutliches Plus bei der Windstromerzeugung, „werden gar nicht unglaublich viele neue Windenergieanlagen benötigt“. Das sagt Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW.
Entscheidend seien vielmehr 35.000 „mittlere“ Binnenstandorte, die für Windenergieanlagen mit einer Leistung von bis zu sieben Megawatt geeignet seien. Diese modernen Anlagen ernten bis zu zehnmal so viel Windstrom wie solche, die etwa im Jahr 2000 installiert wurden. Daher kommt dem Repowering eine besondere Bedeutung zu.
Finanzielle Anreize auch bei Repowering?
In Mecklenburg-Vorpommern sollen jetzt Regeln geschaffen werden, die Kommunen bzw. Anwohner allgemein aber auch beim Repowering an den Erträgen aus der Stromproduktion zu beteiligen. Ende September wird im von Manuela Schwesig geführten Bundesland gewählt – auch hier gibt es lokal Widerstände gegen weitere Windkraftanlagen. Nicht unwahrscheinlich, dass eine danach gebildete Regierung finanzielle Anreize auch bei Repowering in ihre Regierungspolitik aufnehmen wird.
Aus Sicht des LEE ist es dank des Repowerings notwendig, dass alle Bundesländer zwei Prozent ihrer Landesfläche für die Windenergienutzung ausweisen. Bayern, NRW oder andere Bundesländer tun sich hiermit schwer, aber die Dringlichkeit wird zu mehr Offenheit für geeignete Standorte führen. Laut Umweltbundesamt sind derzeit rund 0,9 Prozent der Flächen als Windvorranggebiete ausgewiesen.
„Niemand muss Befürchtungen um eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder vor Flächenfraß haben“, so Priggen, der damit oft geäußerte Vorbehalte von Vertretern von AfD, Vernunftkraft, Windwahn oder WerteUnion einordnet.
35.000 mittlere Standorte sind demnach geeignet um rund 700 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr zu erzeugen – bestenfalls spätestens ab 2040. Kombiniert mit den Erträgen aus Offshore-Windkraft, Photovoltaik, Biomasse und Geothermie sei das „völlig ausreichend“, um 100 Prozent des deutschen Energieverbrauchs inklusive Wärme und Verkehr regenerativ zu versorgen. Zusätzlich muss allerdings noch der Bedarf der Industrie gedeckt werden – teilweise aus dem Ausland, teilweise aus Offshore-Windenergie.
Letztlich liegt es an der Politik, die geeigneten Rahmenbedingungen für die Energiewende zu schaffen. „Alle Bundesländer sind gefordert, schnell mehr Flächen auszuweisen und die Genehmigungsverfahren zu vereinfachen“, sagt Priggen. Es reiche nicht aus, allein „mehr Tempo“ für den Klimaschutz anzukündigen. Mitunter vergehen zwischen der Planung und der Inbetriebnahme eines Windparks zehn Jahre: „Das ist nicht länger hinnehmbar“, so der Vertreter der Erneuerbaren-Energien-Branche.
Die sogenannte WindGuard-Studie steht auf der Seite des Verbands zum Download zur Verfügung.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.