Roadrunner-Zelle ermöglicht einfachere Produktionsverfahren, reduziert Kosten und erhöht gleichzeitig Energiedichte und Lebensdauer.
Tesla präsentiert der Weltöffentlichkeit beim Battery Day im September erstmals eine über Jahre selbst entwickelte Batteriezelle. Diese geht aus dem bis vor kurzem geheimen Roadrunner-Projekt hervor. Die Roadrunner-Zelle ist erheblich voluminöser als die bislang verwendeten 2170er Zellen – und soll zunächst im 40-Tonner, dem Tesla Semi, eingesetzt werden. Der Beitrag zeigt, wie der Autobauer in vielen kleinen Evolutionsschritten signifikante Fortschritte bei Energiedichte, Lebensdauer und Kosten erzielt hat – und damit den Wettbewerbern erneut enteilen möchte.
An der Kato Road im kalifornischen Fremont herrscht derzeit rege Betriebsamkeit. Tesla besitzt dort ein Gebäude, unweit seines Hauptsitzes im Siicon Valley. Seit Jahren arbeitet der Autobauer dort an der Batterierevolution. Das bis Anfang dieses Jahres geheime Roadrunner-Projekt soll nicht nur sicherstellen, dass auch ein 40-Tonner wie der Tesla Semi keine Brennstoffzelle braucht, sondern Teslas Zukunft entscheidend prägen.
Das „Tera“ genannte Gebäude hat Tesla zuletzt um eine Etage aufgestockt, um die Pilotlinie für die Fertigung seiner Roadrunner-Zellen unterbringen zu können. Genau diese Pilotfertigung, die es Tesla rasch ermöglichen soll, Batteriezellen im Terawatt-Maßstab herzustellen, wird am 22. September beim Shareholder Meeting und im Rahmen des Battery Days der Öffentlichkeit vorgestellt.
Panasonic, CATL, LG Chem und zwei Zelltypen
Wer die Batteriewelt von Tesla verstehen will, muss sich die Limits anschauen, denen sich das Cleantech-Unternehmen derzeit gegenüber sieht. Wie Elon Musk beim Analystengespräch zu den Quartalszahlen betonte, ist die „Zellproduktion zum akzeptablen Preis“ genau dieser limitierende Faktor.
Es gibt zwei Zelltypen, die bislang skalierbar herzustellen sind. Elon Musk unterscheidet dabei zwischen Lithium-Eisenphosphat-Zellen (englisch: LFP) einerseits und solchen Zellen, die auf Nickel basieren (NCA oder NMC). Bislang setzt Tesla auf nickelbasierte Zellen in Zusammenarbeit mit Panasonic. Der Batteriegigant produziert entsprechende Zellen im Format 18650 in Japan und liefert sie in die USA für die Produktion von Model S und Model X.
Daneben setzt Tesla in Zusammenarbeit mit den Japanern auf Zellen, die direkt in Nevada produziert werden – sie haben ein anderes Format (2170) und werden sowohl im Model 3 wie auch im Model Y verwendet. In Verbindung mit effizienter Antriebstechnologie sowie entsprechender Software sind damit in den vergangenen Jahren alltagstaugliche Reichweiten möglich geworden.
In Shanghai hat sich Tesla mittlerweile aber für einen anderen Weg entschieden. Nach mindestens einjähriger Diskussion nutzt Tesla dort Lithium-Eisenphosphat-Akkus von CATL (und teilweise LG Chem) im Model 3. Auch das Model Y, das ab Ende des Jahres dort produziert werden soll, dürfte entsprechend ausgestattet werden.
Grundsätzlich gilt die Lithium-Eisenphosphat-Technologie als kostengünstiger, weil kein Nickel oder Kobalt als teure Rohstoffe verwendet wird. Außerdem gelten Akkus auf Basis entsprechender Zellen als sicherer und langlebiger im Vergleich zu nickelbasierten Batterietechnologien. Aber: Bislang war der Nachteil der Energiedichte ausschlaggebend. Doch – wie Musk zuletzt mitteilte – sind die Energiedichten in Verbindung mit der Effizienz der Fahrzeuge mittlerweile ausreichend, um Reichweiten von 300 Meilen zu ermöglichen. Für den chinesischen Privatkundenmarkt absolut ausreichend.
Batteriezelle für Tesla Semi gesucht
Nun kommt die Roadrunner-Zelle aus der Pilotanlage in Fremont ins Spiel. Denn Tesla hatte 2017 bei der Vorstellung des Tesla Semi insbesondere zwei Dinge angekündigt: Einerseits, dass der Semi Truck eine Reichweite von 300 bzw. 500 Meilen (480 bzw. 800 Kilometer) haben werde. Und: Es solle möglich sein, 400 Meilen Reichweite innerhalb von 30 Minuten nachzuladen.
Mit den damaligen Technologien – man arbeitete damals an 120-Kilowatt-Chargern – vollkommen unvorstellbar. Allerdings kündigte Musk im Juni 2020 die Serienfertigung des LKW an. Und: Die Ausstattung des 40-Tonners mit den damals verfügbaren Batteriepacks hätte zu erheblichem Verlust bei der Zuladung des LKW geführt – und genau das ist entscheidend dafür, wie viel eine Lieferung kostet und ob ein Batterie-Truck sich für einen Flottenbetreiber rechnet.
Heute ist Tesla mindestens einen Schritt weiter: Elon Musk bestätigte jüngst sogenannte Megacharger – also an die Supercharger angelehnte Ladestationen. Ob diese 1,6 Megawatt oder 2 Megawatt Leistung haben werden, ist noch nicht klar. In jedem Fall erscheint damit das Nachladen des Tesla Semi mittlerweile möglich. Auf seiner Webseite gibt Tesla an, der Truck brauche bei voller Beladung weniger als 2 Kilowattstunden Strom pro Meile – rechnerisch sind mit einem solchen Megacharger also 400 Kilometer nachladen problemlos möglich.
Ein Patent, entdeckt im September 2019 von electrive, zeigt einen flüssiggekühlten Ladestecker, der zum Megacharger hinzugehören dürfte:
Fehlt für den Tesla Semi letztlich nur noch eine leichte, effiziente, schnell zu produzierende Batterie, die in der Größenordnung von 600 Kilowattstunden bei 1.000 Kilowattstunden im Fahrzeug untergebracht werden kann – ohne das Eigengewicht des Fahrzeugs so in die Höhe zu treiben, dass die Zuladung begrenzt wird.
Und hier kommt Teslas eigene Roadrunner-Zelle ins Spiel.
Roadrunner-Zelle: 5498er Format?
Die Roadrunner-Zelle ist – bei aller Vorsicht – wahrscheinlich von electrek.co geleaked worden. Das Foto zeigt die Zelle, die Experteneinschätzungen zufolge einen Durchmesser von 54 Millimetern und eine Höhe von 98 Millimetern hat:
Das größere Format der Roadrunner-Zelle führt dazu, dass das Volumen erheblich größer wird (Faktor 10). Gleichzeitig zeigen die Fotos, dass es sich hierbei um eine Zelle handelt, die ein Batteriemodul überflüssig macht. Auch das hat Elon Musk schon lange angekündigt. Frühere, in Anfangszeiten des Roadster orderte Tesla keine Batteriezellen, sondern Batteriemodule von Herstellern wie Panasonic.
Der Grund war die damalige Unzuverlässigkeit der Zellen. Sollten einzelne Zellen schlapp machen, wollte man in der Lage sein, nicht das gesamte Batteriepack austauschen zu müssen, sondern nur ein Batteriemodul. Mittlerweile kommt man in den aktuellen Fahrzeugen aber gar nicht mehr an die Batteriemodule heran – das heißt das dafür verwendete, zusätzliche Material ist mittlerweile obsolet. Es handelt sich also um ein Cell-to-Pack-Design.
Tabless-Design senkt Kosten weiter
Ein weiteres Highlight der Roadrunner-Zelle: Sie ist allem Anschein nach „tabless“, d.h. der kleine Stromabnehmer an der Oberseite der Batterie wird nicht mehr benötigt. Stattdessen fließen die Elektronen über die gesamte Oberseite der Batterie, und sind direkt mit der Oberseite verbunden – in diesen Deckel ist auch das flüssige Temperaturmanagement integriert.
Wer viel mehr über das „Tabless-Design“ der Roadrunner-Zelle erfahren möchte, dem ist dieses Video zu empfehlen. Tesla hat dazu auch ein entsprechendes Patent angemeldet, dass Elon Musk als „wichtiger als es aussieht“ bezeichnet hat:
Mit diesem neuen Design schafft es Tesla, die Kosten in der Produktion – und vor allem auch die Produktionsgeschwindigkeit – weiter zu senken. Dazu wird Material eingespart, was weniger Gewicht bedeutet.
Mit den größeren Zellen könnte Tesla demnach Akkupacks herstellen, die eine erheblich weniger Zellen als bisher benötigen. Dies würde dazu führen, dass das Unternehmen nur noch 1/10 der Anzahl der Rollen, Dosen, Elektrolytfüllungen und Schweißnähte im Vergleich zu seinem derzeitigen Betrieb benötigt.
Eine solche Strategie öffnet die Türen zu massiven Kostensenkungen, die dazu beitragen könnten, die Preise für Elektroautos auf ein beachtliches Maß zu senken. Und: Die Energiedichte könnte hierdurch auf Zellebene alleine von ca. 250 Wattstunden pro Kilogramm auf etwas über 300 Wattstunden pro Kilogramm steigen, wie Teslarati vermutet.
Weiterer Schritt: DBE-Technologie von Maxwell
Neben diesen Spezifika der Zelle, kommt mit der Trockenelektrolyt-Technologie des 2019 von Tesla übernommenen Unternehmens Maxwell Technologies ein wichtiges Element hinzu. Denn macht Tesla weitere, signifikante Verbesserungen in der Produktionsgeschwindigkeit – und spart mindestens einen aufwändigen Produktionsschritt ein.
Die Zusammenarbeit von Tesla mit Maxwell beleuchten wir in den kommenden Tagen in einem eigenständigen Beitrag. Ein sehr gutes Gespräch dazu gibt es hier:
Musk bestätigt: Battery Day wird „sehr verrückt“
Mittlerweile ist klar, dass die geleakte Zelle ein Teil dessen ist, was Elon Musk beim Battery Day präsentieren wird. teslarati hatte in einem Tweet geschrieben, die Enthüllung von Tesla werde „insane“, also wahnsinniger oder irrsinniger als gedacht. Antwort von Elon Musk („It will be very insane“):
Der Artikel fasst die bislang bekannten Aspekte der Roadrunner-Zelle von Tesla zusammen. Alle weiteren Details hierzu werden am 22. September während des Battery Days ergänzt. In der Zwischenzeit werden wir uns mit weiteren Partnern wie Hibar, Maxwell Technologies und SilLion beschäftigen. Es bleibt spannend.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.