Testphase des Roboat in den Grachten von Amsterdam begann Ende Oktober 2021.
Über autonom fahrende Autos wird ja bekanntlich reichlich diskutiert. Doch jetzt kommen autonome Elektroboote hinzu, die durch die ausgedehnten Grachten Amsterdams schippern. Dabei kommen den kleinen Schiffen ganz unterschiedliche Aufgaben zu: Transport von Pendlern oder Touristen als Wassertaxi, Sammlung von Müll oder Auslieferung von Paketen – Entwickler dieser Innovation ist das Cleantech-Startup Roboat.
Die Roboterboote von Roboat können sogar partiell als Behelfsbrücken dienen. Sie sind hoch flexibel, und dienen als dynamische Infrastruktur. Das schont Ressourcen und reduziert Emissionen. Straßen werden entlastet, die Wasserwege hingegen werden besser genutzt. Roboat ist ein Projekt eines Labors des MIT in Kooperation mit dem Senseable City Laboratory vom Amsterdam Institute for Advanced Metropolitation Solutions.
Die ersten beiden Boote sind jetzt seit Ende Oktober 2021 auf dem Wasser unterwegs. Die Entwicklung von Roboat ist aber nicht abgeschlossen. Zunächst sollen die Anwendungsfälle Abfallsammlung, Personentransport sowie Vermessung und Überwachung der Wasserqualität weiterentwickelt werden. Schon 2015 gab es den ersten Prototyp kleiner Schiffe am MIT in den USA.
In diesem Jahr konzentrierten sich die Forscher und Ingenieure auf die Entwicklung der Autonomie der beiden Prototypen im Maßstab 1:1, einschließlich der Wegpunktsuche, des autonomen An- und Abdockens und der Kollisionsvermeidung. Roboat ist selbstlernend und passt seine Fähigkeiten an die Erfahrungen auf dem Wasser an.
Das Roboat-Team setzt Algorithmen ein, um u. a. bestimmte Objekte zu kategorisieren, die es auf seinem Weg entdeckt. Die Tests finden im Innenhafen des Marineterrein Amsterdam Living Lab statt – einem Testfeld für Innovation im Herzen von Amsterdam. Jedes Mal, wenn das Schiff in diesem Gebiet navigiert, sammelt es Erfahrungen und lernt aus früheren Situationen und Objektbegegnungen. Als Ergebnis der kontinuierlichen Rückkopplungsschleifen kann Roboat nun autonom in diesem Gebiet navigieren.
Um autonom einen freien Weg zu bestimmen, nutzt Roboat LIDAR und Kameras, um eine 360-Grad-Ansicht zu ermöglichen. Dies wird auch als „Perception Kit“ bezeichnet und ermöglicht es Roboat, seine Umgebung zu verstehen. Wenn die Wahrnehmung ein neues Objekt erfasst, beispielsweise ein Kanu, kennzeichnet der Algorithmus das Objekt als „unbekannt“. Wenn sich das Team später die gesammelten Daten des Tages ansieht, wird das Objekt manuell ausgewählt und als „Kanu“ markiert. Auf diese Weise wird der Algorithmus darauf trainiert, das menschliche Auge bei der Objekterkennung mit der Zeit zu übertreffen.
Der Verriegelungsmechanismus des Bootes ermöglicht es, das Boot mit einer Dockingstation oder einem anderen Roboat zu verbinden. „Mit dieser Funktion kann Roboat temporäre Brücken bilden, um neue städtische Infrastrukturen zu schaffen, sowie schwimmende Bühnen und Brücken“, sagt Carlo Ratti, Professor für die Praxis in der Abteilung für Stadtstudien und -planung und Direktor des MIT Senseable City Lab.
Nächste Phase: Ein autonomes Taxi, bitte
Der nächste Schritt für Roboat ist die Kommerzialisierung der Technologie. „Das historische Zentrum von Amsterdam mit seinem Grachtennetz und den heutigen Herausforderungen – wie Verkehrsstaus und Logistik – ist ein perfekter Ort, um mit den realen Pilotprojekten zu beginnen, die darauf abzielen, einen nachhaltigeren und intelligenteren Transport auf dem Wasser zu schaffen“, sagt Stephan van Dijk, Leiter der Innovationsabteilung des AMS-Instituts.
Im nächsten Jahr wird sich das Team auf drei Anwendungsfälle konzentrieren: Personenbeförderung, Logistik (Müllabfuhr) und Vermessungs-/Überwachungsanwendungen. „Roboat arbeitet mit Pionierunternehmen und Städten zusammen, um die Technologie weiter auszubauen: „Während sich die autonome Schifffahrt auf geradlinige Routen konzentriert, ist Roboat für die Navigation auf dynamischen und stark befahrenen städtischen Wasserstraßen wie den Amsterdamer Kanälen ausgelegt, was Roboat für Deltastädte und Hafengebiete auf der ganzen Welt relevant macht“, so van Dijk abschließend.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.