Rücktritt: Trevor Milton nicht mehr Executive Chairman von Nikola Corp.
Report von Hindenburg Research als Auslöser für Rückzug von Trevor Milton aus dem Cleantech-Unternehmen.
Trevor Milton ist nicht mehr Executive Chairman von Nikola Corporation. Das berichtet FreightWaves unter Berufung auf „dem Unternehmen nahestehende Personen“. Mittlerweile ist die Nachricht auch von Nikola Corporation bestätigt – Stephen Girsky übernimmt die Rolle als Executive Chairman. Demnach ist Milton von seinem Amt, das er seit dem Börsengang des Nutzfahrzeugherstellers innehatte, zurückgetreten und hat das Cleantech-Unternehmen verlassen. Wichtigster Grund dürften der Report von Hindenburg Research sein, der Nikola als einen „Ozean aus Lügen“ bezeichnete.
Den Informationen zufolge wird Trevor Milton einer der größten Anteilseigner von Nikola bleiben, aber ohne Mitspracherecht bei der weiteren Führung des Unternehmens. Milton besitzt immer noch 82 Millionen Aktien oder 20 Prozent von Nikola im Wert von 2,8 Milliarden US-Dollar. Die Entscheidung wurde getroffen, um das Unternehmen und seine Investitionen zu schützen, so das Magazin.
Statement von Nikola / Trevor Milton / Stephen Girsky:
„Nikola liegt mir wirklich im Blut und wird es immer sein, und der Schwerpunkt sollte auf dem Unternehmen und seiner weltverändernden Mission liegen, nicht auf mir. Daher traf ich die schwierige Entscheidung, mich an den Verwaltungsrat zu wenden und freiwillig als geschäftsführender Vorsitzender zurückzutreten. Nikola zu gründen und zu einem Unternehmen heranzuwachsen, das den Verkehrssektor zum Besseren verändern und zum Schutz des Weltklimas beitragen wird, war eine unglaubliche Ehre. Ich bin zuversichtlich, dass Steve die richtige Führungspersönlichkeit ist, um unsere Vision auf Vorstandsebene voranzutreiben. Steve ist nicht nur ein früher Anhänger und Unterstützer von Nikola, sondern hat auch mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit führenden OEMs, Zulieferern, Händlern, Gewerkschaftsführern und nationalen politischen Entscheidungsträgern und war Direktor zahlreicher öffentlicher Unternehmen.
„Wir haben im Laufe der Jahre eine große Bandbreite an Talenten aufgebaut, und ich bin zuversichtlich, dass Nikolas Chief Executive Officer, Mark Russell, unterstützt vom Chief Financial Officer, Kim Brady, und dem Rest des Führungsteams unser Ziel voranbringen wird, Nikola zum weltweiten Marktführer im emissionsfreien Transportwesen zu machen. Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern, Investoren und Partnern von Nikola bedanken, die meine Vision mitgetragen und sich in dieser Zeit hinter Nikola gestellt haben“.
Girsky sagte: „Im Namen des Vorstandes möchte ich Trevor für seine visionäre Führung und seine bedeutenden Beiträge zu Nikola seit seiner Gründung danken. Trevor sah die Möglichkeit, ein durchgehendes, emissionsfreies Transportsystem zu schaffen, als die Branche noch im Entstehen begriffen war, und ergriff Maßnahmen, um das Nikola von heute aufzubauen, mit Partnerschaften von Weltklasse, bahnbrechender Forschung und Entwicklung und einem revolutionären Geschäftsmodell. Ich weiß, ich spreche für alle bei Nikola in unserer Dankbarkeit und in dem Wunsch, ihm alles Gute zu wünschen“.
„Wir sind weiterhin entschlossen, unsere Ziele zu erreichen und Wert für unsere Aktionäre zu schaffen“, so Mark Russell, Nikolas Chief Executive Officer. „Zusammen mit dem übrigen Management-Team werde ich weiterhin eng mit Steve und dem Vorstand zusammenarbeiten, um Nikolas Vision für die Zukunft voranzutreiben. Unsere Prioritäten bleiben unverändert, und in Zusammenarbeit mit unseren Partnern konzentrieren wir uns auf die Umsetzung unserer strategischen Initiativen und die Schaffung der Grundlagen, um ein vertikal integrierter Anbieter von emissionsfreien Transportlösungen zu werden.
Abschieds-Tweet des Nikola-Gründers:
Nikola verliert sein Gesicht Trevor Milton
Trevor Milton war als Gründer von Nikola Motors das Gesicht des Cleantech-Unternehmens nach Außen. Seit dem überaus erfolgreichen Börsengang im Frühsommer 2020 repräsentierte Milton die Firma in vielen großen Interviews mit Magazinen und TV-Sendern. Doch immer wieder kam Kritik auf, seine Aussagen widersprächen sich erheblich.
Als dann die Vorwürfe von Hindenburg Research mit einer eher weichen Antwort von Nikola Corporation beantwortet wurden, verschwand Trevor Milton bereits vernehmlich von der Bildfläche: Seitdem gab es keine Social Media-Posts oder Interviews mehr von Trevor Milton.
Sein letzter Erfolg war es, eine innige Partnerschaft mit General Motors realisiert zu haben. Allerdings wurde klar: GM baut den Nikola Badger, GM liefert dafür die Brennstoffzellen, GM liefert dafür die Batterie-Systeme – und welche Lösungen genau bringt nun noch Nikola in die Kooperation mit ein? Milton hatte immer wieder bahnbrechende Technologien, die Inhouse entwickelt würden, versprochen – gezeigt hat er sie bislang nicht.
Ein Vorwurf, den Nikola einräumen musste, war die Täuschung in einem Video vor fast drei Jahren: In dem Werbevideo wurde der erste Truck des Unternehmens „in Bewegung“ gezeigt – allerdings nicht auf Basis seines eigenen Antriebsstrangs, sondern weil das Fahrzeug einen Berg hinaufgezogen worden war.
Wer an die Börse geht, aber noch Jahre braucht bis er Umsätze vermelden kann, muss vor allem eines tun: Vertrauensvoll kommunizieren. Die Sünden von gestern haben Nikola Corporation nun aber eingeholt – so dass sogar die SEC Ermittlungen über falsche Aussagen gegenüber Aktionären übernommen hat.
Girsky verteidigt Nikola-Geschäftsmodell
Viele Anschuldigungen hat Nikola indes scharf zurückgewiesen. Stephen Girsky, ehemalige GM-Manager und CEO von VectoIQ, verteidigt Nikola weiterhin. VectoIQ war das Unternehmen, mit dem sich Nikola Motors zusammenschloss, um an die Börse gehen zu können. Bevor sich VectoIQ aber mit Nikola verbündete, habe man „eine Armee von Menschen“ dorthin gebracht, so Girsky.
„Persönlich habe ich diese Lastwagen viermal gefahren. Ich bin mit Strom gefahren. Ich bin mit Wasserstoff gefahren. Ich finde, sie sind großartige Trucks“, so Girsky in einem Webcast der Financial Times. Das Geschäftsmodell des Unternehmens sei stärker auf die Trucks mit Wasserstoff-Brennstoffzellen ausgerichtet als auf die ersten Trucks, die mit Strom fahren.
Dass Trevor Milton nun offenbar aus der Schusslinie der Kritiker genommen wird, ist für Nikola ein ganz wichtiger Schritt. Denn nur so hat der Nutzfahrzeughersteller, der viel Rückhalt durch Partner wie GM, Bosch oder Nel Asa erfährt, eine Überlebenschance. Das Unternehmen braucht eine Kommunikation, die auf Fakten basiert.
Reaktion des Aktienmarktes auf Nikola-Beben
Die Nikola-Aktie ist nach dem morgendlichen Beben um mehr als 22 Prozent auf 22,50 Euro eingebrochen (Tradegate, 8:08 Uhr). Ob das Unternehmen eigenständig wird fortbestehen können, muss sich in den kommenden Tagen zeigen.
Frühere Storys zu Trevor Milton und Nikola:
- 17. Dezember 2019: Durchbruch bei Nikola? Batteriezelle mit 500 Wh/kg soll 2020 vorgestellt werden
- 12. Mai 2020: Nikola Corporation: Wie das eMobility-Startup schon im Juni an die NASDAQ will
- 29. Juni 2020: Nikola Badger: Erster Pickup-Truck mit Brennstoffzelle bestellbar
- 8. Juli 2020: Trevor Milton zeigt Nikola-Truck mit Brennstoffzelle im Livestream
- 27. Juli 2020: Coolidge: Wie Nikola aus Arizona die Welt der Trucks umkrempeln will
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.