SALCOS: Wie Salzgitter die Stahlherstellung sauber macht

Salzgitter AG setzt mit SALCOS auf die Dekarbonisierung der Stahlproduktion bis 2033 – grüner Wasserstoff ersetzt Koks.

Das Hüttenwerk der Salzgitter AG emittiert pro Jahr acht Millionen Tonnen Kohlendioxid, die mit den bisherigen Prozessen der Stahlerzeugung nicht zu vermeiden sind. Denn bislang wird Koks zur Reduzierung der Eisenerze zu Eisen genutzt. Um den unvermeidbaren CO2-Ausstoß zu verhindern, arbeitet das Unternehmen aus Niedersachsen seit 2019 an vollständig neuen Wegen der Herstellung von dann grünem Stahl. Herzstück der Dekarbonisierung: Koks wird bei SALCOS durch grünen Wasserstoff ersetzt. Und das hat erheblichen Einfluss auf die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands.

SALCOS dient als Abkürzung für Salzgitter Low CO2 Steelmaking. Es beschreibt die Strategie der Salzgitter AG, die Stahlherstellung beinahe vollständig zu dekarbonisieren. Derzeit fallen bei der Produktion im Salzgitter-Hüttenwerk pro Jahr acht Millionen Tonnen CO2 an. Hauptgrund für die emissionsintensive Produktion ist, dass Koks (Kohlenstoff) in der Hochofen-Route zur Reduktion der Eisenerze zu Eisen dient.

Konkretisiert wird Koks im Hochofen verbrannt, um Kohlenstoffmonoxid (CO) als Reduktionsmittel zu gewinnen. Von oben wird der Hochofen zusätzlich mit Koks, Eisenerz und Zuschlägen wie etwa Kalkstein beschickt, dass sich Schichten von Koks und Eisenerz abwechseln. Von unten wird heiße Luft eingeblasen. Durch das entstehende Kohlenstoffmonoxid werden die Eisenoxide reduziert, und es sammelt sich unten flüssiges Roheisen, das in regelmäßigen Abständen entnommen wird.

Unvermeidbar: In diesem Reduktionsprozess entsteht CO2 und wird freigesetzt.

Die Hochofen-Route der Stahlherstellung könnte durch SALCOS abgelöst werden.

Von der Hochofen-Route zu SALCOS

Das Projekt SALCOS hat nun zum Ziel, das integrierte Hüttenwerk der Salzgitter AG in drei Etappen bis 2033 vollständig auf eine CO2-arme Rohstahlproduktion umzustellen. Diese Transformation hat gewaltigen Impact für die Klimaziele Deutschlands: Es geht immerhin um ein Prozent der jährlichen Emissionen. Im Zuge der Transformation werden Direkt-Reduktionsanlagen und Elektroöfen aufgebaut, die dann schrittweise die bisherigen Hochöfen und Konverter ersetzen.

Anstatt aus Koks ein Reduktionsmittel zu gewinnen, wird Wasserstoff genutzt: Wird dem grünen Wasserstoff ein Sauerstoff-Atom im Rahmen der Reduktion von Eisenerz angedockt, entsteht im SALCOS Verfahren schlicht Wasser. Bedeutet im Ergebnis: 95 Prozent der jährlichen Kohlendioxid-Emissionen von acht Millionen Tonnen werden eingespart – und eben ein Prozent der deutschen Emissionen vermieden.

SALCOS schematisch erklärt.

So funktioniert die Direktreduktion

Bei der Direktreduktion wird Eisenerz nicht mit Kohle (Koks), sondern mithilfe von Wasserstoff reduziert. Der Wasserstoff reagiert mit dem Sauerstoff im Eisenerz (Eisenoxid) dabei direkt im festen Zustand und wandelt dieses in Eisenschwamm (fast reines Eisen) um. Statt CO2 entsteht bei dieser Technologie Wasser (H2O), das wiederum im integrierten Prozess weiterverwendet wird. Um Eisenschwamm weiterverarbeiten zu können, wird das poröse Material schließlich gemeinsam mit Stahlschrott in einem Elektrolichtbogenofen eingeschmolzen.

Einziges Handicap bei der Wandlung eines solchen Stahlwerks und dessen Dekarbonisierung: Die Kosten. Im ersten Schritt hat die Salzgitter AG Mitte Juli 2022 eine Investition von 723 Millionen Euro angekündigt – und vor einigen Monaten bereits Förderanträge eingereicht, um zusätzliches Kapital zu generieren. Damit soll SALCOS konsequent umgesetzt werden.

In den vergangenen Jahren wurde SALCOS in mehreren Projekten auf technologische Machbarkeit untersucht. Beispielsweise wurde ein Elektrolyseur getestet und viele weitere Technologien ausprobiert. Die Investitionsentscheidung nun zeigt: Das Projekt für emissionsarmen Stahl ist möglich und wird in zehn Jahren realisiert sein. Neben Salzgitter arbeiten auch andere Stahlhersteller, vorwiegend aus Europa, an grünen Alternativen. In diesem Bereich zeigt sich, dass die Hersteller zu Innovation bereit und fähig sind – und langfristig davon profitieren dürften.

Wie reagieren die Kunden? Auf Basis der SALCOS-Technologie kann Salzgitter künftig 1,9 Millionen Tonnen grünen Rohstahl herstellen. Unternehmen wie BMW, aber auch Haushaltsgerätehersteller wie Miele oder Produzenten von Kaltwalzern haben ihr Interesse an grünem Stahl signalisiert. Wie viel teurer grüner Stahl am Ende ab 2026 sein wird, muss sich noch zeigen. Zu erwarten ist, dass sogenannte Contracts for Difference das „grüne Premium“ übernehmen werden.

Die Salzgitter AG zeigt mit SALCOS, wie man die Stahlherstellung sauber macht. Es ist ein gewichtiger Beitrag zur Transformation des Industriestandortes Deutschland. Folgt die Welt dem Pfad grünen Stahls – wonach es aussieht – werden die Arbeitsplätze trotz der Dekarbonisierung erhalten bleiben. Genau das bedeutet dann letztlich Clean Thinking.

Förderbescheid über eine Milliarde Euro für grünen Stahl

Die Salzgitter AG hat im April 2023 im Rahmen der Hannover Messe einen Förderbescheid über insgesamt eine Milliarde Euro erhalten, um SALCOS tatsächlich umzusetzen. Während der Bund in Person von Wirtschaftsminister Robert Habeck 700 Millionen Euro übergab, steuerte das Land Niedersachsen die restlichen 300 Millionen bei. Klar: Es geht bis 2033 beim Projekt rund um grünen Stahl um die Eliminierung von insgesamt einem Prozent der jährlichen Emissionen des Landes. Der Förderbescheid für Salzgitter ist nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums der erste für ein Vorhaben im Rahmen des entsprechenden „IPCEI Wasserstoff“. IPCEI steht für „Important Projects of Common European Interest“.

Die erste Ausbaustufe, die insgesamt zwei Milliarden Euro kostet, soll mit einer Rohstahlkapazität von 1,9 Mio. Tonnen pro Jahr Ende 2025 in Betrieb gehen. Im Rahmen der kompletten Transformation sollen zwei Direktreduktionsanlagen und drei Elektroöfen errichtet werden, die sukzessive die drei Hochöfen und Konverter ersetzen. Damit wird die bisher auf Kokskohle beruhende Stahlproduktion von einer neuen wasserstoffbasierten Route abgelöst. So sollen rund 95 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen von etwa 8 Mio. Tonnen eingespart werden.

Dieser Artikel entstand 2019 und wurde zuletzt am 19. April 2023 aktualisiert.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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