Die Erfolgsgeschichte von Sono Motors hat in 2023 ein jähes Ende gefunden.
Die Zukunft des Solarauto-Pioniers Sono Motors liegt – mal wieder – in den Händen einer Community, die Sono Motors immer wieder enttäuscht hat: Der Preis des Elektroautos Sion stieg seit der Erst-Präsentation um 10.000 auf 30.000 Euro. Ursprünglich sollte das Auto, das zahlreiche Innovationen bietet, schon 2019 in Serie gefertigt werden – das heutige Ziel liegt bei 1. Quartal 2024. Und schließlich die Aktie, die derzeit unter einem Euro notiert. Schaffen es Jona Christians und Laurin Hahn, den Sion auf die Straße zu bringen? Diese Hoffnung ist mittlerweile Vergangenheit.
Mittlerweile ist das Ende des Sion besiegelt (25. Februar 2023) und Sono Motors hat Insolvenz angemeldet
Als die beiden Sono Motors-Gründer vor einigen Wochen die bislang letzte Crowdfunding-Kampagne für das innovative Solarauto Sion ankündigen, fehlen Jona Christians und Laurin Hahn 210 Millionen Euro. Nun rufen sie mit der #savesion-Kampagne die oft enttäuschte Community zur Hilfe, um die Hälfte des Finanzlochs stopfen zu können. Durch vorgezogene, erhöhte Anzahlungen von 3.500 Sion-Fahrzeugen soll die Summe aufgebracht werden.
Einige Wochen später, kurz vor dem geplanten Kampagnen-Ende am 26. Januar 2023, verbreiten die Gründer Optimismus: Unermüdlich sind sie im Einsatz, um Autokäufer einerseits und neue Investoren andererseits davon zu überzeugen, dass das erste Solarauto der Welt, der Sion, unbedingt auf die Straßen kommen muss.
savesion: 45 Millionen Euro von der Crowd
Bislang hat die Sion-Community in der savesion-Kampagne 45 Millionen Euro überwiesen – das Geld wird aber, so das Versprechen von Sono Motors, nur und erst dann abgerufen, wenn die Kampagne erfolgreich zu Ende gebracht wird. 8.000 Menschen haben sich beteiligt. Sie sind trotz aller Widrigkeiten vom Elektroauto aus München, dessen Entwicklung in einer Garage begann, begeistert. Und: Sie hoffen darauf, dass durch die Kapitalspritze zunächst die Vorserienproduktion des Sion im Sommer 2023 beginnen kann.
Vergleicht man die Finanzmittel, die Sono Motors bislang zur Verfügung hatte mit anderen E-Auto-Startups wird deutlich: Besonders viel Kapital hat Sono bislang nicht gebraucht – Schätzungen zufolge weniger als 400 Millionen Euro. Aber: Im vergangenen Jahr stürzte nicht nur der Aktienkurs ab, sondern das Unternehmen machte auch mehr als 103 Millionen Euro Verlust. Das Geschäft mit der Solar-Integration in LKWs und andere Fahrzeuge von OEMs ist angelaufen, trägt aber bislang nur wenig (etwa 200.000 Euro) zum Umsatz bei.
Sono Motors wird nicht von Milliardären finanziert, wie das eine oder andere Elektroauto-Unternehmen, das großspurig mit achtstelliger Finanzierung startete, und umso leiser scheiterte. Elon Musk betont mit Recht immer wieder, dass der Weg zum Prototyp eines Elektroautos recht einfach ist – der Weg zur qualitativ überzeugenden Serienfertigung hingegen eine ganz andere Hausnummer. Sono will die Produktionshölle dadurch verkleinern, dass beim Auftragsfertiger Valmet in Finnland produziert wird – dadurch muss keine eigene Produktionsstätte finanziert werden.
Bislang hat Sono Motors Finanzmittel von mehreren Investoren erhalten: Darunter Pario Ventures, DNCA Finance, Seedrs, Marguerite und Virunga Power sowie von einigen Business Angels wie Matthias Willenbacher und Carl Berninghausen. Ob mit diesem Investorenkreis aktuell Gespräche über eine Aufstockung des Engagements geführt werden, ist aber nicht bekannt.
Die savesion-Kampagne, die am 7. Dezember begann, soll zunächst am 26. Januar abgeschlossen werden. Allerdings, so das Cleantech-Unternehmen auf seiner Webseite: Die Kampagne kann um 40 Tage verlängert werden. Gut möglich also, dass Sono Motors in wenigen Tagen die Verlängerung der Kampagne ankündigt, und die Community fragt, ob mit dem eingeworbenen Kapital die Vorserienfertigung in Angriff genommen werden soll.
Sion kann die Autobranche nachhaltig verändern
Für Energiewende, Transformation und Verkehrswende wäre ein Scheitern von Sono Motors beim Inverkehrbringen des Solarautos Sion ein herber Rückschlag. Denn den Beweis, dass ein Elektroauto nicht die Größe eines SUV haben muss und das Solarladen des Fahrzeugs einen wirklichen Zusatznutzen bietet, kann Sono Motors nur im Alltag mit seinen Kunden erbringen. Gelingt der Coup und der Verkauf einer stattlichen Anzahl von Fahrzeugen, wird das die Autobranche nachhaltig verändern.
Die Grafik zeigt, wie sich die Reichweite des Solarautos Sion durch die integrierten Solarzellen verlängern lässt. Im Jahr rechnet das Unternehmen mit etwa 5.700 Kilometer zusätzlicher Reichweite. Aktuelle Wintertests bei deutlichen Minustemperaturen ergaben, dass die anvisierte Winter-Wochenreichweite von 35 Kilometer zu 80 Prozent erreicht wird – und ein Jahr vor der Serienproduktion noch zusätzliches Optimierungspotenzial besteht.
Mit dem niederländischen Cleantech-Unternehmen Lightyear gibt es mittlerweile einen zweiten Autobauer, der das Thema Solar-Integration ernsthaft vorantreibt. Zunächst mit einem sündhaft teuren Auto – mit dem Lightyear 2 aber bis 2025 auch in einem deutlich erschwinglicheren Fahrzeug, das mit 40.000 Euro etwa 10.000 Euro mehr kosten soll als der Sono Motors Sion.
Der Sion verfügt über 330 Photovoltaikzellen, die auf der Karosserie des Fahrzeugs angebracht sind und eine Spitzenleistung von 1.208 Watt erbringen können. Das bedeutet, dass die Solarzellen den Sion unter idealen sonnigen Bedingungen in Mitteleuropa für eine Strecke von 34 Kilometern mit Strom versorgen können, was in einem durchschnittlichen Jahr etwa zehn Kilometern pro Tag entspricht.
Daneben ist das Solarauto von Sono Motors aber auch mit einem kombinierten Ladesystem (CCS) mit einem Typ-2-Stecker ausgestattet, das europaweit als Standard ist. Laut Sono Motors soll es möglich sein, die Batterie in 35 Minuten auf 80 Prozent aufzuladen (Schnellladen). Die Reichweite liegt bei etwa 300 Kilometern.
BreSono: Luftfiltersystem
Eine weitere Innovation ist das natürliche Luftfiltersystem, das im Sion verbaut ist. Diese Technologie verwendet lebendes Moos, das in einen Luftfilter eingebaut und im Belüftungssystem platziert wird. Es ist auch im Inneren des Fahrzeugs sofort sichtbar. Nach Angaben von Sono unterstützt das BreSono-System sowohl die Luftfilterung als auch das Feuchtigkeitsmanagement.
20 Prozent der Luftpartikel sollen so herausgefiltert werden können. Und: Die Luftfeuchtigkeit im Innenraum kann je nach Umgebungsbedingungen erhöht oder gesenkt werden. Aufgrund seiner enzymatischen Beschaffenheit muss das Moos nicht bewässert oder besonders gepflegt werden, bis es wie jeder andere Innenraumluftfilter ausgetauscht wird.
goSono: Bidirektionales Laden möglich
Mit goSono lehnt sich Sono Motors auch an die moderne Idee der „Sharing Economy“ an. Sion-Besitzer können über eine mobile App zum Beispiel den Strom ihres Fahrzeugs teilen. Die App würde es den Besitzern auch ermöglichen, ihren Sion als Mitfahrgelegenheit zu nutzen oder ihn an andere zu vermieten. Bidirektionales Laden soll so möglich werden.
Damit erfüllt das Elektroauto von Sono Motors viele Kriterien, die bisherige Autobauer nicht anbieten. Zwar haben die großen Autobauer eine zeitlang in Carsharing investiert – das Geschäft aber teilweise aufgrund einer Vielzahl von Problemen bereits wieder abgestoßen. Mit Tesla und Sono kommen neue Anbieter, die den Gedanken fester verankern – und derzeit gut in den Zeitgeist passen.
Mehr als 400 Mitarbeiter kämpfen
Die Zukunft von Sono Motors mit mehr als 400 Mitarbeitern ist derzeit offener denn je. Aber der unbedingte Wille und das unermüdliche Engagement der Mitarbeiter und allen voran des Managements werden dazu führen, dass savesion von Erfolg gekrönt sein wird. Es ist Zeit, der Autoindustrie zu zeigen, dass gute Elektroautos nicht zwei Tonnen wiegen und groß wie ein SUV oder ein Kombi sein müssen. Und: Aus Stehzeugen müssen Fahrzeuge werden oder zumindest Stehzeuge, die netzdienlich agieren – also beispielsweise dann geladen werden, wenn viel Windstrom im Winter im Netz ist.
Für all diese Versprechen steht der Sion von Sono Motors. Es gilt, weiter die Daumen zu drücken, dass dieses Vorhaben trotz aller Widrigkeiten gelingen wird. Save Sion!
Update November 2023. Sono ist am Ende
Die bittere Erkenntnis: Sono Motors hat es nicht geschafft, den Sion auf den Markt zu bringen. Das ist seit Februar 2023 bereits klar. Anschließend versuchten die Gründer und heutigen Geschäftsführer, die Idee der Solarmodule etwa für LKWs zum Erfolg zu führen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Mittlerweile ist das hoffnungsvolle Cleantech-Unternehmen in Insolvenz. Im November 2023 wurden nach erneut erfolglosen Investorengesprächen die meisten Mitarbeiterverträge gekündigt.
So auch die Verträge der Geschäftsführung. Die an der NASDAQ gelistete Muttergesellschaft wird offenbar vorerst erhalten bleiben – wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen. Letztlich zeigt das Kapitel Sono Motors wieder einmal: Einen Protoyp zu entwickeln ist relativ einfach. Die Kunst hingegen ist es, dann den Sprung in die Serienfertigung zu schaffen. Hieran ist Sono trotz großer Unterstützung durch die geschickt aufgebaute Community, gescheitert.
(Letzte Änderung dieses Artikels im November 2023)
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.