Kommentar: ZDF-Sendung zeigt, wie die scheinheilige FDP-Politik dem Land rund um Cleantech schadet.
Christian Dürr und die FDP verfolgen eine an Scheinheiligkeit kaum zu überbietende Politik-Strategie, die diesem Land in erheblichem Maße Schaden zufügt. Grundlegend ist die Aussage des Fraktionschefs der FDP im Deutschen Bundestag, er halte es für „vollkommen verrückt“ von 100 Prozent erneuerbaren Energien auszugehen. Heute sei der Anteil an der Primärenergie schließlich bei 17 Prozent.
Mit Primärenergie zu argumentieren, wenn man weiß, dass darin auch die Abwärme eingeschlossen ist, die dank Verbrennungsmotor in die Luft entweicht, ist schon hanebüchen genug. Soll aber nicht der Kern der Überlegungen sein. Vielmehr geht es um die Frage, wie die FDP mit ihrer Technologie-Scheinheiligkeit die Debatte über echten Klimaschutz und wirksame, ja auch radikale Maßnahmen immer wieder gezielt ausbremst.
Anstatt darüber zu sprechen, wie 100 Prozent Erneuerbare, gepaart mit Energiespeichern und Wasserstoff hinzukriegen ist, wird über Scheinlösungen wie Heizen mit Wasserstoff oder Fahren mit HVO100-Diesel aus Schnitzelfett gesprochen. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie solche Vorschläge wie HVO-Diesel in der FDP auf die Agenda kommen.
Es ist klar: Das geschieht nicht auf Basis wissenschaftlicher Fakten oder sonstiger, fundierter Erkenntnisse, sondern auf Basis von „Gesprächen“ der FDP mit Lobbyverbänden mit dem DVGW oder dem BDEW oder Mineralölverbänden beispielsweise. Das zeigt die Scheinheiligkeit: Die winken mit ein paar Auftragsstudien, die – oh wunder – exakt zu ihren Plänen passt, und schon ist die FDP überzeugt. Um E-Fuels im PKW oder ähnliche Dinge durchzusetzen, geht die FDP allerhöchstes Risiko ein.
In dem Artikel zur Abrechnung mit der Lindner-FDP beschreibe ich diese Zusammenhänge rund um die Technologie-Scheinheiligkeit der FDP genauer. Das führt an dieser Stelle zu weit. Wichtig ist: Hier werden echte Lösungen, die von der Wissenschaft durchgängig empfohlen werden, durch solche Schein-Lösungen ersetzt, die entweder noch gar nicht existieren oder völlig überteuert sind oder gar nicht das Potenzial haben, in skalierbarer Größenordnung eingesetzt zu werden.
Scheinheiligkeit: HVO100 und Heizen mit Wasserstoff
Beispiel: HVO100 – schon heute werden für HVO-Beimischungen signifikante Mengen importiert. Häufig muss in den Herstellerländern dann mangels Reststoffen stattdessen mehr Erdgas genutzt werden. Statt Unabhängigkeit wieder nur Scheinheiligkeit ohne Potenzial für Skalierung.
Beispiel: Pellets – wir machen nicht nur unsere Wälder kaputt, sondern gleich noch die in anderen Ländern dazu (vgl. Rumänischer Wald). Glasklare Aussagen zu fehlgeleiteten Maßnahmen von Peter Wohlleben:
FDP: Konzeptlos und lobbyhörig
Will sagen: Die FDP hat (offenbar) keine Konzepte rund um die Klimakatastrophe, die sie wirklich durchdacht hat. Oder sie hat keine Kompetenz, negative Konsequenzen ihrer politischen Vorschläge zu erkennen. Aber plötzlich stand im vergangenen Wahlkampf das Klima-Thema auf der Agenda, und man musste ein paar Themen „erfinden“, um in Diskussionen nicht komplett alt auszusehen. Diese Lösungen bestehen darin, Aussagen von Lobbyisten und Wirtschaftsverbänden zu übernehmen – ohne deren Sinn wirklich zu hinterfragen. Verkauft wird das als „Technologieoffenheit“ – und Wahrheit ist es „Technologie-Scheinheiligkeit„.
Dem Land wird somit ein Bärendienst erwiesen. Praktisch formuliert dürfen nun dank des verwässerten GEG 2023 weiter Öl-Heizungen verbaut werden, und Millionen Gasheizungen dürfen bis zum Laufzeitende 2043 mit Erdgas befeuert werden. Das nennt die FDP Klimaschutz. Ökonomische Gesetze, das zeigt auch der Auftritt von Adam Tooze werden von der FDP weitgehend ignoriert. Die Kraft der Disruption, die RethinkX so brillant beschreibt, wird komplett klein geredet.
Würden die Menschen dieser Scheinheiligkeit der FDP und des Christian Dürr in der Mehrheit Glauben schenken, hätten wir nicht ansatzweise mehr Chancen, die Klimaziele einzuhalten. Wie Petra Pinzler von DIE ZEIT richtig schreibt: Klimapolitik der Ampel ist durch das „Prinzip Hoffnung“ ersetzt worden. Hoffnung darauf, dass die ziemlich unsinnigen Aussagen der FDP nicht verfangen. Auch diese Diskussion hat wieder gezeigt, wie die FDP mit ihrer Strategie die Klimadebatte an Punkten festklebt, die aus wissenschaftlicher, unternehmerischer und eigentlich auch politischer Sicht, längst geklärt sind. Fragen, wie etwa die, wie Deutschland in Namibia zwar Wasserstoff produziert, aber eben gleichzeitig dafür sorgt, dass das aufwändig gesäuberte Wasser auch und zuerst den Menschen in Namibia zu Gute kommt, werden ausgeblendet.
Die Frage, an welchen Stellen mehr Klimaschutz Sinn macht angesichts der katastrophalen Bilder, die wir aus Kanada, den USA oder Spanien sehen, wird erst gar nicht gestellt. Die Scheinheiligkeit verfängt. DAS ist der große Schaden, den die FDP diesem Land zufügt. Und die Medien spielen mit, weil es cooler ist, über Schnitzelfett zu frotzeln als über Flutkatastrophen in Saragossa. Geht es ansatzweise so weiter, müssen wir in wenigen Monaten über ganz, ganz andere Themen diskutieren.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.