Die Diskussionen um Diesel-Fahrverbote und die Verbesserung der Luftqualität in Deutschlands Innenstädten geht munter weiter. Traditionell gibt es dabei Uneinigkeit in der Großen Koalition zwischen Verkehrs. und Umweltministerium. Svenja Schulze, die neue Bundesumweltministerin, informiert sich gerade vielseitig über mögliche Hardware-Lösungen zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen. Denn klar ist: Selbst wenn man den Strommix beim Umschwung zu Elektromobilität unbeachtet lässt: Für Millionen Bestandsfahrzeuge braucht es echte Lösungen.
Mitte Juli besuchte Schulze das Entwicklungszentrum der Baumot AG in Witten, um sich schlau zu machen über den Stand der Dinge in Sachen Hardware-Nachrüstungen. Schulze betonte dabei, dass die Hardware-Nachrüstung zur Vermeidung von Fahrverboten „unumgänglich“ sei. Die Bundesregierung hatte zuletzt zwei Gutachten (mehr zum ersten Gutachten hier) erstellen lassen, die beide zur Erkenntnis kommen: Die notwendigen, technischen Voraussetzungen bestehen. In den kommenden Wochen soll ein Abschlussbericht vorgelegt werden.
So funktioniert die Hardware-Nachrüstung von Baumot.
Gemäß Koalitionsvertrag stellen die Gutachten die Grundlage für die Einführung der Hardware-Nachrüstung für Diesel-Pkw dar. Die gesamten Kosten für eine Hardware-Nachrüstung würden sich nach Aussage Schulzes auf rund 4,5 Milliarden Euro belaufen. Damit seien, laut Aussage Schulzes, neben der rechtlichen Zulassung die Bedingungen für die Einführung einer Hardware-Nachrüstung gegeben. Auch die Verwaltungsgerichte würden in den kommen Wochen eine Konkretisierung und Verschärfung der Luftreinhaltepläne in den Ballungszentren fordern, da ist sich Schulze sicher.
Diesel-Fahrverbote hält Ministerin Schulze auch in NRW-Großstädten wie Aachen, Dortmund, Essen und Düsseldorf für wahrscheinlich. In den kommenden Wochen werden weitere Verwaltungsgerichte wie bspw. Hessen Luftreinhaltepläne verhandeln. Ein Beispiel ist die Stadt Stuttgart. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann wurde vom zuständigen Richter mit einer Beugehaft gedroht, sollte der Luftreinhalteplan nicht gemäß den rechtlichen Vorgaben angepasst werden.
Stuttgart von Fahrverboten ab Januar 2019 betroffen
Diese sehen unter anderem auch Fahrverbote für Diesel-Pkw bis einschließlich der Euro-4-Norm ab Januar 2019 sowie mögliche Fahrverbote der Euro-5-Norm ab September 2019 vor. Ausnahmen von möglichen Fahrverboten sehe das Gericht nur wenige vor, so Schulze. Nachgerüstete Fahrzeuge sollen jedoch von den drohenden Verboten ausgenommen seien.
Nach ihrem Besuch im Entwicklungszentrum der Baumot Group AG zog die Umweltministerin Bilanz:
Ich bin stolz und glücklich, dass es solch innovative Unternehmen wie die Baumot Group AG in Deutschland gibt, welche sowohl innovative als auch ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Produkte entwickelt. Diese stellen die Grundlage für die Zukunft des Dieselmotors dar.
Schulze und Karpinski sind sich einig
Neben Schulze spricht sich auch der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Jürgen Karpinski, für Hardware-Nachrüstungen aus. Der Präsident des ZDK sieht die dringende Notwendigkeit der Hardware-Nachrüstung für den Autohandel. Er rechnet mit Abschlägen von rund 30% auf den Preis von gebrauchten Diesel-Pkw und so mit Verlusten von rund 330 Millionen Euro allein bei den Leasing-Rückläufern von Mai bis August dieses Jahres. Diese Situation treffe mittelständische Betriebe, die sich dadurch teilweise existenziell bedroht sehen, so Karpinski. Seit Mai 2017 fordert der ZDK eine Hardware-Nachrüstung, vorrangig von Euro-5-Diesel-Pkw.
Gemeinsam mit dem ZDK hat Baumot der Bundesumweltministerin einen Plan vorgelegt, um mit Hilfe der 37.500 Kfz-Innungsbetriebe eine deutschlandweite Hardware-Nachrüstung von Diesel-Pkw in Großstädten vorzunehmen. Innerhalb weniger Monate kann dieser Plan umgesetzt werden. Ministerin Schulze begrüßt die Lösung und sieht die Hardware-Nachrüstung als finanzierbar und logistisch umsetzbar an.
Nach aktuellen Plänen des baden-württembergischen Verkehrsministeriums sollen mit einer Hardwarelösung nachgerüstete Euro-5-Diesel-Pkw eine Ausnahmegenehmigung erhalten, um im Falle von Euro-5-Fahrverboten in Stuttgart weiter genutzt werden zu können. Dieses Vorgehen sieht der Vorstand der Baumot als mögliche Blaupause für die weiteren 19 betroffenen Städte wie Düsseldorf, Köln oder Berlin an. Im August werden die Verwaltungsgerichte in NRW die neuen Luftreinhaltepläne verhandeln, im September in Hessen. Diese Urteile bilden die Grundlage für die Einführung von Fahrverboten und einer Hardware-Nachrüstung.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.