Wie die Regierung des möglichen CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Markus Söder mit der systematischen Blockade der Windkraft die Energiewende in Gefahr bringt.
Das Desaster rund um einen Windpark in Wülfershausen steht symbolisch für das Komplettversagen der Bayerischen Landesregierung beim Ausbau der Windenergie. Versprochen hatte Ministerpräsident Markus Söder einst 300 neue Windräder bis Ende 2022. Faktisch gingen im vergangenen Jahr exakt acht Windkraftanlagen in Bayern ans Netz. Genehmigt wurden drei. Neu beantragt: Null. Söders Idee, Windturbinen im Staatsforst zu platzieren, steht ebenfalls kurz vor dem Aus. Wie Wülfershausen zeigt, hat die Blockade System.
In Sonntagsreden, großen Interviews und PR-Auftritten mit Bäumen ist Markus Söder längst ergrünt: Klimaschutz sei eines der entscheidenden Themen, Wachstum könne auch ökologisch organisiert werden. Jetzt ist Söder sogar Veganer geworden. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine ganz gewaltige Lücke. In den Niederungen der bayerischen Landespolitik hat Markus Söder den elementaren Ausbau der Windkraft mit System zum Erliegen gebracht.
300 Windräder sollten es werden. Die Idee, im Staatsforst Windkrafttürme aufzustellen steht vor dem Scheitern, wie die Bayerische Staatszeitung berichtet. Acht Windturbinen kamen im gesamten Jahr 2020 in Bayern dazu (Statistik Bundesverband Windenergie), nur drei wurden genehmigt, kein einziges Projekt neu beantragt.
Dabei hätte die Landesregierung in Wülfershausen zuletzt ein Zeichen Pro Windkraft setzen können, was etwa der Verband VBEW lautstark forderte. Das Gegenteil passierte: Der Landtag stoppte mit den Stimmen der Regierung aus CSU und Freie Wähler den bereits laufenden Bau von insgesamt 13 Windrädern von Enercon. Problem: Die Investoren hatten ihre Pläne nach Erhalt der Baugenehmigung geändert – und wollten effizientere Windkraftanlagen einsetzen. Für genau diese Technologie begannen sie mit der Errichtung der Fundamente.
Doch am Wechsel des Windkrafttyps entbrannte ein heftiger Streit – der letztlich mit dem Baustopp durch eine von CSU und Freien Wählern durchgeboxte Gesetzesänderung endete. Eine neue Baugenehmigung hätte laut der 10-H-Abstandsregel, die mittlerweile Gesetz ist, keine Chance mehr gehabt. Der Grüne Martin Stümpfig warf der CSU damals „ideologische Totalverweigerung gegenüber der Windkraft“ vor: Es helfe nichts, Bäume zu umarmen, wenn man die Energiewende zerstöre, sagte er laut Mainpost in Richtung von Markus Söder.
10-H-Regel verhindert Windkraftausbau in Bayern
Die 10-H-Regel besagt, dass der Abstand zwischen einem neuen Windrad und den nächsten Wohnhäusern mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen muss. Bei modernen Windrädern, die 200 Meter in die Höhe ragen, sind das zwei Kilometer. Aufgrund dieser Regelung entstand auch die gescheiterte Idee mit dem Staatsforst – denn sonst gibt es quasi keine Standorte mehr in Bayern, die noch für Windkraft geeignet sind.
Die Konsequenz nach einem Stillstand in Wülfershausen von fast einem Jahr: Der Lieferant der Windenergieanlagen Enercon, der bereits Teile der Türme produziert und angeliefert hatte, zog sich nun zurück. Das Projekt soll nun von der regional ansässigen Firma „Wust – Wind & Sonne“ mit Windturbinen von Nordex zu Ende gebracht werden.
Das Verrückte: Im Windpark Wargolshausen-Wülfershausen werden also nun – von der Mainpost als ’schlechter Witz wird wahr‘ bezeichnet – bestehende Betonfundamente für die Enercon-Anlagen abgerissen, um an der selben Stelle neue Fundamente für die Nordex-Anlagen zu errichten. Der wirtschaftliche Schaden liegt dadurch nach Medienberichten „nicht ganz sechs Millionen Euro“. Der Akzeptanz-Schaden für die Windkraft insgesamt ist mit Sicherheit weitaus höher.
Wülfershausen-Projekt läuft seit zehn Jahren
Das Projekt in Wülfershausen läuft nun bereits seit mehr als zehn Jahren. Ob einige oder alle der nun geplanten zehn Windräder tatsächlich Ende 2022 ans Netz gehen? Es wäre eine gewaltige Steigerung des Zubaus der bayerischen Windkraft im Vergleich zu 2020 und 2021 – aber trotzdem ein nur ganz kleiner Baustein für die Energiewende, die viel mehr Dynamik braucht.
Für Markus Söder ist es auch ein ganz persönliches Windkraft-Desaster in Wplfershausen, denn seine Glaubwürdigkeit im Hinblick auf Klima- und Energiethemen ist mehr als fragwürdig. Für schöne Bilder posieren und nette Doppel-Interviews geben ist das eine – den Worten aber auch Taten folgen lassen das andere. Diese Diskrepanz ist gewaltig. Aber Ostern ist ein guter Zeitpunkt für weitere Sonntagsreden: In seiner Osteransprache kündigt Söder nun eine Photovoltaik-Pflicht für Dächer an – fragt sich nur, wie glaubwürdig dieses Versprechen ist?
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.