Solarfaltdach: Wie Rasthöfe oder Klärwerke zu Kraftwerken werden
Schweizer Innovation für die Energiewende: Flexible Solarfaltdächer Horizon des Cleantech-Unternehmens dhp Technology.
Rasthöfe oder Kläranlagen haben in der Regel reichlich Platz – und brauchen etwa durch Elektroautos reichlich Energie. Das Cleantech-Unternehmen dhp Technology aus der Schweiz hat Leichtbau-Solarmodule mit Seilbahn-Technik zu einem einzigartigen Solarfaltdach kombiniert. So spart die Photovoltaik-Anlage einerseits 50 Prozent Material ein – und kann andererseits flexibel eingeklappt werden, wenn es durch Wettereinflüsse wie Sturm, Hagel oder starken Schneefall notwendig ist. Ein Konsortium hat jetzt beschlossen, 45 Schweizer Autobahnrastplätze mit Solarfaltdächern vom Typ Horizon zu überdachen – und auch aus Deutschland gibt es reges Interesse.
Die Leichtbauweise und die spezielle Konstruktion der Solarfaltdächer ermöglicht die Nutzung weniger, schlanker Stützen. Außerdem kann problemlos in größeren Höhen über dem Boden so ein Solarkraftwerk realisiert werden. Die vollautomatische und patentierte Einklappfunktion ermöglicht, dass beispielsweise PV-Kraftwerke über offenen Klärbecken gebaut werden können – denn für diese ist es zwingend erforderlich, einen Zugang von oben zu erhalten.
Die von den Schweizern verwendeten Solarmodule sind glasfrei und haben damit deutlich weniger Gewicht als herkömmliche Glas-Glas-Module. Diese Leichtmodule sind auch leichter in die Konstruktion des Faltdachs zu integrieren. Laut dhp sind die Leistungsdaten aber vergleichbar.
Großes Potenzial für Klärbecken mit Solarfaltdach
Wie groß das Potenzial für Kläranlagen ist, zeigt, dass die Europäische Kommission die Lösung von dhp technology beim Markteintritt in Europa unterstützt. Die Europäische Kommission fördert den Markteintritt in Europa von dhp technology mit dem Solarfaltdach für die Anwendung über Kläranlagen. In Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma Evolution Europe hat dhp technology eine umfassende Marktstudie durchgeführt, um die Bedürfnisse von Kläranlagen in Europa zu erheben und das Potenzial des Solarfaltdachs zu bewerten.
Die Ergebnisse der Studie zeigen eine starke Nachfrage nach Technologien, die den Eigenversorgungsgrad von Kläranlagen erhöhen. Aufgrund der Europäischen Abwasserrichtlinie wurden in den letzten sieben Jahren über 36 Milliarden Euro in Europa in den Bau und die Modernisierung der Abwasserinfrastruktur investiert. Dies hat zu einem starken Anstieg des Stromverbrauchs in der Branche geführt, der teilweise durch Effizienzmaßnahmen und die Eigenproduktion von Energie ausgeglichen werden soll.
Das Interesse, auch von Betreibern von Kläranlagen in Deutschland, ist gewaltig: So kündigte der Betreiber SBN aus Neuwied Mitte 2022 an, das 1.600 Quadratmeter große Klärbecken auf fünf Metern Höhe überdachen zu wollen. Der Strom der Solar-Ziehharmonika soll vollständig vor Ort in Neuwied genutzt werden.
Nur wenige Wochen wurde laut Stuttgarter Zeitung bekannt, dass das Stuttgarter Klärwerk in Mühlhausen ein Solarfaltdach erhalten soll. Die Kläranlage benötigt 26 Millionen Kilowattstunden um 60 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser pro Jahr zu reinigen. Bald kommt zum BHKW ein Solarkraftwerk hinzu. Mit dem neuen Solar-Faltdach, das der Stuttgarter Gemeinderat schließlich am 22. Juni 2023 beschlossen hat, können zukünftig 2,2 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr klimaneutral gewonnen werden. Dies entspricht etwa neun Prozent des gesamten Strombedarfs im Klärwerk. Im ersten Schritt ist eine flexibel steuerbare Überdeckung des großen nördlichen Belebungsbeckens geplant.
Seit März 2023 wird auch im westfälischen Vlotho über den Einsatz eines solchen Solarfaltdaches nachgedacht – laut Westfalen-Blatt sorgte die Idee dort für begeisterte Reaktionen.
Das Cleantech-Unternehmen dhp technology entwickelt und baut das weltweit einzigartige Solarfaltdach schon seit einigen Jahren: 2018 wurde über einer Kläranlage in Chur das Pilotprojekt erfolgreich realisiert. Leistung des Solarkraftwerks? 643 Kilowatt Peak bei 4.100 Quadratmeter Fläche.
Solarfaltdächer für die Autobahn und Raststätten
Und was ist mit Autobahnen? In Deutschland wird derzeit auf der A81 bei Engen ein im Vergleich winziges, fest installiertes Solardach getestet – erst nach einem Jahr will Bundesverkehrsminister Volker Wissing entscheiden, ob die Technologie Zukunft hat, wie der SWR berichtet.
Die Auswahl der Bundesregierung überrascht, weil das Schweizer Konzept von dhp Technologie im Vergleich kostengünstiger und einfacher erscheint – insbesondere, wenn man die massiven Betonfundamente betrachtet, die bei Unfällen für heftige Schäden sorgen könnten. Aber vielleicht gibt es ja noch ein Umdenken, wenn das Projekt in der Schweiz umgesetzt wird, das gerade ein Konsortium unter Beteiligung des Cleantech-Unternehmens verkündet hat?
ABCD-Horizon will 45 Autobahnrastplätze überdachen
In mehreren Regionen in der Schweiz sollen 45 Autobahnrastplätze des Betreibers aventron mit Solarfaltdächern ausgestattet werden. Zum Verbund zählen neben dhp technology auch BG Ingenieure und Berater und Cargo sous terrain. Die Gesamtleistung der Anlagen kann bis zu 35 Megawatt
betragen. Die entsprechenden Flächen stellt der Bund kostenlos zur Verfügung. Die Ausschreibung hatte das Konsortium ABCD-Horizon gewonnen.
Der Strom aus den PV-Anlagen soll in erster Linie für die Ladeinfrastruktur entlang der Autobahnen genutzt werden. Er kann vor Ort entweder in bestehende Ladesäulen auf den Rastplätzen fließen oder in Batterien gespeichert werden. Überschüssige Elektrizität wiederum kommt ins Netz und wird an Primeo Energie, Stadtwerke Winterthur und ewb verkauft, die drei Hauptaktionäre von aventron.
Ein langfristiger Abnehmer ist das Unternehmen Cargo sous terrain. Dieses wird ein vollständig mit erneuerbaren Energien betriebenes Gesamtlogistiksystem für den ober- und unterirdischen Transport
kleinteiliger Güter für die Schweiz in den kommenden Jahren bauen. Die Arbeiten zu den PV-Anlagen werden voraussichtlich 2024 beginnen und sollten 2027 abgeschlossen sein.
Einschätzung zu dhp Technology von Martin Jendrischik:
Die Einschätzung zu den innovativen Solarfaltdächern aus der Schweiz ist eindeutig: Die Vielzahl der bereits umgesetzten und angeschobenen Projekte zeigt, dass es eine Idee und Lösung ist, deren Zeit definitiv gekommen ist. Neben Rastplätzen und Klärbecken sind viele weitere Anwendungsbereiche denkbar: Einerseits im Bereich der Agri-PV, wenn es sich um hochwachsende Pflanzen handelt. Andererseits aber auch auf klassischen Parkplätzen von Ikea, Bauhaus und Co: Auch dort wird viel Energie gebraucht, um immer mehr Elektroautos zu versorgen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.