Wie Cleantech-Unternehmen Solugen aus Zucker wertvolle Chemikalien macht

Biotech-Unternehmen Solugen aus Texas produziert 10.000 Tonnen synthetischer Chemikalien pro Jahr.

Solugen aus Texas ist eines der Cleantech- oder Biotechnologie-Unternehmen, die Hoffnung machen, dass ein schmutziger und emissionsintensiver Sektor wie die Chemieindustrie eines Tages sauberer gemacht werden können. Das Unternehmen entwickelt und züchtet Enzyme, die Zucker in einige der chemischen Produkte umwandeln können, die die Chemieindustrie benötigt. Auf Basis von Solugen-Chemikalien entstehen Beton, Reinigungs- und Düngemittel – und sie helfen bei der Wasseraufbereitung.

Es gibt weitere Cleantech-Unternehmen, die sich auf andere Bereiche konzentrieren, und beispielsweise Kunststoffe, Stoffe, Waschmittel, Weichmacher, Süßstoffe, Farben oder Beschichtungen herstellen. Beispiele sind etwa die Cleantech-Startups Allozymes, Arzeda, Lygos, Mellizyme, Rubi Laboratories oder Twelve. Sie alle verfügen über Verfahren, um neuartige Enzyme zu identifizieren, um damit neue Produkte herzustellen. Rubi und Twelve etwa verwenden Kohlendioxid als Ausgangsstoff.

Aber viele dieser Hoffnungsträger sind noch nicht in der Lage, ihre Technologien in großem Stil zu skalieren. Hier stechen die bisherigen Erfolge von Solugen aus Texas ein wenig hervor. Denn das Cleantech-Unternehmen verkaufte schon vor vielen Jahren, als es noch mit einer kleinen Pilotanlage hantierte, sämtliche Chemikalien, die daraus resultierten, an die Industrie. Ein Umstand, der Seth Bannon von Fifty Years 2016 begeisterte und zu einem ersten Investment in Solugen bewegte.

Mittlerweile hat Solugen eine zuvor explodierte Chemieanlage übernommen, und stellt dort 10.000 Tonnen Chemikalien pro Jahr her. Im Vergleich zu den Mengen, die andere Unternehmen aus dem Feld der neuen Biotechnologie herstellen, ist die Quantität beeindruckend – aus dem Blickwinkel des Bedarfs der globalen Industrie ein verschwindend kleiner Anteil. Dennoch ist es beeindruckend, wie schnell Solugen mit seiner Technologien von wenigen Tonnen zu 10.000 Tonnen gekommen ist.

Aber wie macht Solugen das?

Das Unternehmen stellt Chemikalien im eigenen Reaktor namens Bioforge her. Dazu nutzt es nicht nur den ehemaligen Standort einer 2005 explodierten Petroleumwachs-Destillerie, sondern auch Maschinen, die von Süßwarenherstellern genutzt werden. Hergestellt werden die Chemikalien aus heimischen Rohstoffen, also solchen, die in den USA angebaut werden. Beispielsweise kauft Solugen Maissirup von Nassmühlen aus Iowa. Durch Fermentation ist es im Anschluss möglich, Chemikalien herzustellen.

Doch der Ansatz von Solugen unterscheidet sich von solchen, bei denen lebende Zellen verwendet werden, um Zucker in eine Chemikalie zu wandeln. Dabei wird lediglich die Hälfte des Zuckers in Kohlendioxid gewandelt. Die Texaner indes zielen darauf ab, diese Verschwendung zu beenden: Die mit Windkraft betriebene Anlage verarbeitet zunächst einen mit Enzymen gefüllten Reaktor zusammen mit dem Maissirup zu einem Zwischenprodukt. Dieses gelangt anschließend in einen Tank mit Metallkatalysatoren, die die Reaktion nach Angaben der Gründer beschleunigen und effizienter machen. Dadurch gelingt es, fast den gesamten Ausgangsstoff zu wandeln.

Erster Einsatz in Nischenmärkten

2016 begann Solugen zunächst, diesen Ansatz für einen Nischenmarkt zu nutzen, der für Cleantech wenig umkämpft, weil nicht sexy genug, war. Mit dem ersten Reaktor aus Standardkomponenten stellten sie Wasserstoffperoxid her. Bald meldeten sich „Float Spa“-Betreiber, um damit das Wasser zu desinfizieren. Als sich dieser Sektor zum Erfolg entwickelte, begann Solugen nach und nach sich auf verschiedene Chemikalien unterschiedlicher Branchen zu konzentrieren.

So stellt Solugen beispielsweise heute ein Molekül her, das dazu verwendet wird, Beton härter zu machen. Im Umkehrschluss wird dann weniger Zement benötigt, der gewöhnlich sehr energieaufwändig hergestellt werden muss. Da die pflanzliche Solugen-Chemikalie dauerhaft i den Beton eingebettet wird, ist sie kohlenstoffnegativ.

Schritt für Schritt kann Solugen nun weitere Enzyme entwickeln, um – so das gewaltige Potenzial – bis zu 90 Prozent der üblichen Chemikalien klimafreundlich herzustellen. Kostengünstig ist das Verfahren, weil allein die Sicherheit höher ist als bei herkömmlichen Anlagen. In den USA ist der Bau neuer Anlagen sogar teilweise verboten.

Ein weiterer Vorteil: der Solugen-Prozess kann auch in Anlagen stattfinden, die viel kleiner sind als bekannte Chemieanlagen. Bedeutet: Dadurch ist der Bau weniger kapitalintensiv, auch kleinere Mengen Spezialchemikalien werden bereits wirtschaftlich. Das Beispiel Houston zeigt aber auch, dass auch ausgediente Industrieanlagen als Basis dienen können – aus Sicht von Solugen können etwa alte Produktionsstädte der Zellstoff- und Papierindustrie zu neuem Leben erweckt werden.

Heute reicht das Angebot des Unternehmens an biobasierten Chemikalien von Wasserbehandlungsmitteln, über eine Chemikalie, die Beton stärker macht, bis hin zu effizienterem Düngemittel und Reinigungsmittel, das stark genug ist, um eine Umkleidekabine zu reinigen, oder so mild, dass es für Gesichtstücher verwendet werden kann.

Trotz aller Potenziale: Die Chemiebranche und deren Zulieferer setzen auf etablierte Lieferketten, und brauchen höchste Gewissheit, um einen lange genutzten Prozess durch neue Lieferanten zu verändern. So bleibt für Solugen Zeit, in ganz verschiedene Bereiche vorzudringen, und Enzyme zu entwickeln. Denn dieser Prozess ist aufwändig – und es gibt keine Garantie dafür, dass jede Entwicklung zum Erfolg führt.

Finanzierungsrunde: 357 Millionen US-Dollar

Vor wenigen Wochen hat Solugen eine weitere Finanzierungsrunde abgeschlossen, die unterstreicht, wie erwartungsfroh die Investoren sind. Beteiligt hat sich unter anderem der Risikokapitalfonds Lowercarbon, der Staatsfonds Signapur (GIC) und die Investmentgesellschaft Baillie Gifford, die auch in das deutsche Cleantech-Unternehmen Lilium Aviation investiert hat. Die Bewertung lag dabei bei 1,8 Milliarden US-Dollar. Insgesamt hat Solugen nun 400 Millionen US-Dollar für seine Technik eingeworben.

Gründer von Solugen sind Gaurab Chakrabarti und Sean Hunt, die sich bei einem Pokerabend trafen, und ins Gespräch kamen. Schnell reifte die Idee, Enzyme zu züchten, die Zucker in Chemikalien umwandeln können, die für die Herstellung einer Vielzahl von Produkten benötigt und in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt werden können.

Mit Solugen die Chemieindustrie dekarbonisieren

„Die chemische Industrie ist für ein paar Prozentpunkte der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Es kann nicht schnell genug gehen, die CO2-Emissionen der chemischen Industrie auf Null zu reduzieren“, sagt Clay Dumas, geschäftsführender Partner bei LowerCarbon Capital und Investor von Solugen, gegenüber CNBC.

Allein 2018 hat die chemische Produktion laut Internationaler Energieagentur 880 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert. Das bedeutet: Die chemische Industrie ist der drittgrößte CO2-Emittent. Dazu kommt: Die allermeisten Chemikalien, die etwa die USA einsetzen, stammen heute aus China. Auch der Transport trägt zu einem schlechten, ökologischen Fußabdruck bei.

Die Investoren erhoffen sich nun, dass viele weitere Bioforge-Anlagen weltweit entstehen, um die Chemiebranche mit klimafreundlicheren Chemikalien nachhaltig zu verändern. Dafür müssen die Gründer von Solugen allerdings noch viele dicke Bretter bohren, und große Hürden überwinden.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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