Grüner Asphalt: STRABAG und B2Square setzen CO2-negatives Bitumen als Bindemittel ein

Instant-Biotumen von B2Square ersetzt Bindemittel, das bisher emissionsintensiv in Raffinerieprozessen entsteht.

Tragen Cashewschalen und grüner Asphalt entscheidend zur Lösung eines gewaltigen Umweltproblems bei? Asphalt besteht zu etwa fünf Prozent aus Bitumen. Das Bindemittel entsteht als Abfall-Produkt der Erdöl-Raffinierung. Im Prozess werden große Mengen Kohlendioxid emittiert. Doch der Straßenbauer STRABAG kooperiert jetzt mit dem Cleantech-Startup B2Square, das das Bindemittel biobasiert herstellt und folglich als Biotumen bezeichnet. Das Ziel ist grüner Asphalt. Was steckt hinter dieser sauberen Technologie?

Seit mehr als fünf Jahren forscht Frank Albrecht, der heutige Gründer des Cleantech-Unternehmens B2Square und Chef-Techniker des Dresdner Cleantech-Startups Biofabrik, an der Revolution im Straßenbau. Den Asphalt mit Bitumen, das auf Ölbasis hergestellt wird, zählt zu den großen Emittenten, die ersetzt werden müssen, soll der Umbau zur dekarbonisierten Industrie gelingen. Um den Konzern STRABAG zu begeistern, hat Albrecht mehrere Komponenten neu erfunden.

Instant-Biotumen, wie der Co-Gründer von B2Square das Ersatzprodukt für ölbasiertes Bitumen nennt, besteht einerseits aus einem Kohlenwasserstoff-Harz, das mit Bergbautechnik abgebaut wird. Es handelt sich dabei um die sogenannten Asphaltene. Andererseits kommen Maltene dazu – und hier kommen die Schalen der Cashewkerne, die als Reststoffe verfügbar sind, als zähflüssiger Extrakt ins Spiel. Direkt am Einsatzort werden die beiden natürlichen Komponenten kalt mit dem Asphalt, bestehend aus Steinen, Sand und Mischer, vermischt.

„Wir haben Bitumen neu erfunden, die Herstellung revolutioniert und zur Karbonsenke gemacht, bei gleichzeitig verbesserten technischen Eigenschaften“, sagt Frank Albrecht. Mit im Boot sind als 50-Prozent-Partner das Amsterdamer Unternehmen Ventraco – Spezialist für farbigen Asphalt und Asphalt-Additive – und der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF als Lieferant des Cashew-Extrakts.

STRABAG und B2Square kooperieren

Wie überzeugend die Vorteile und Materialeigenschaften des grünen Asphalts auf Basis von Biotumen sind, zeigt der Bericht der WirtschaftsWoche. Laut diesem Beitrag werden der Straßenbau-Riese STRABAG und B2Square kommende Woche ihre Kooperation öffentlich machen. Aus Sicht des Cleantech-Unternehmens aus Meerbusch bei Düsseldorf ist der CO2-negative Asphalt heute marktreif. Bisher wird pro Tonne Bitumen rund 350 Kilogramm Kohlendioxid emittiert.

Für die STRABAG ist es die Chance, die eigenen Kohlendioxid-Emissionen entscheidend zu senken und obendrein, den Straßenbau energieeffizienter zu gestalten. Denn das Zusammenmischen der beiden Komponenten erfolgt „kalt“ – keine hohen Temperaturen nötig. „Die Materialeigenschaften haben uns auch beim Asphalteinbau überzeugt“, sagt Strabag-Vorstand Thomas Nyhsen. Auch das Aufbringen des fertigen Asphalts auf die Straße kann bei deutlich niedrigeren Temperaturen geschehen. Auch hier wird Energie eingespart.

Aber eines der wichtigsten Argumente, die für den grünen Asphalt von B2Square sprechen: Bitumen entsteht heute zu einem Drittel in der Raffinerie Schwedt in Ostdeutschland, die bisher mit russischem Öl beliefert wurde. Die Abkehr von diesem galt auch als Gefahr für Straßenbauprojekte. Neben dem Straßenbau wird Bitumen auch für Dächer und sogar in der Autoindustrie verwendet. Jetzt gibt es mit der neuen, sauberen Technologie erstmals eine Möglichkeit, Asphalt auf nachhaltige Weise herzustellen – und das sogar direkt vor Ort.

Die Partnerschaft zwischen B2Square und STRABAG gilt für Deutschland, Österreich und Polen. Biotumen und grüner Asphalt sollen aber mit weiteren Partnern auch in Großbritannien (Associated Asphalt Contracting), Japan (Nippon Road) und Südafrika (Much Asphalt) baldmöglichst eingesetzt werden.

„Wir sind konstant auf der Suche nach neuen Lösungen für den Verkehrswegebau. Neben Asphaltrecycling setzen wir dabei auch auf völlig neue Materialien, wie eben Biobitumen. Da wir in ganz Deutschland tätig sind, können wir dieses Produkt unseren Kund:innen flächendeckend anbieten – von der Hauseinfahrt bis zur Straße“, erklärt Thomas Nyhsen, Vorstandsmitglied der STRABAG AG.

Erdölbasiertes Bitumen mit Cashewschalen-Extrakt zu ersetzen, ist in jedem Fall eine herausragende Idee, die das Klima schon, Emissionen reduziert und zum effizienten Einsatz von Ressourcen beiträgt. Letztlich – wenn es technisch alles so gut funktioniert – ein Best Practice Cleantech-Projekt wie es symbolträchtiger nicht sein könnte.

Grüner Asphalt: Auch die Stadt Basel setzt darauf

Hoch interessant, dass der Deutschlandfunk und andere Medien auf ein Projekt berichten, in dem grüner Asphalt die zentrale Rolle spielt: Demnach bekommt ein Stadtteil von Basel demnächst Asphalt, der ähnlich klimafreundlich sein soll. Der grüne Asphalt ist vom Tiefbauamt der Stadt Basel entwickelt worden – und ist, wie der Asphalt der STRABAG eine CO2-Senke.

Impact? Die Stadt Basel könnte damit jährlich 450 Tonnen Kohlendioxid mehr in Straßen einlagern als die Produktion verursacht. Der Trick dabei ist die Beimischung von Pflanzenkohle, in der CO2 gebunden ist. Zwei bis drei Prozent Pflanzenkohle sollen ausreichen. Basel will den Belag bei künftigen Straßensanierungen möglichst flächendeckend einsetzen.

Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de:

Bild: Grüner Asphalt künftig im Einsatz bei STRABAG im Straßenbau?

Was die beiden Unternehmen hier auf die Straße bringen, kann zu einer echten Revolution werden. Fraglich erscheinen neben den überzeugenden Produkteigenschaften einzig die Kosten – aber es ist kaum vorstellbar, dass diese dauerhaft höher liegen werden als bei traditioneller Herstellung von Bitumen auf Ölbasis. Nicht grundlos gilt das Cleantech-Unternehmen bereits als Disruptor, der den Bausektor gehörig umkrempeln dürfte.

Allerdings: Mit einem Ziel von 300.000 Tonnen bis 2025 sind die Mengen noch klein. Das Unterfangen Biotumen für grünen Asphalt könnte also einen Boost gebrauchen. Vielleicht verkünden STRABAG und der junge Innovator etwas. Die Ziele der Unternehmen sind indes klar: STRABAG bietet den Asphalt ohne Erdöl ab sofort deutschlandweit im Privatkundensegment an – und rechnet dafür mit reger Nachfrage. In zwei bis drei Jahren sollen 5 Prozent des Marktes entsprechend bedient werden können – das entspricht rund 2 Millionen Tonnen, der hierzulande jährlich hergestellten rund 40 Millionen Tonnen Walz- und Gussasphalt unter Verwendung von Biotumen.

Aus einem der größten Emittenten eine CO2-Senke zu machen, ist grandios. Es ist eine dieser Geschichten, von der wir unzählige erleben werden. Und zwar deshalb, weil ungefähr seit dem Pariser Übereinkommen 2015 unzählige Unternehmen oder Unternehmer wie der Gründer von B2Square sich auf den Weg gemacht haben, Umweltprobleme zu lösen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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