Forscher vom Helmholtz-Zentrum Berlin erreichen mit Tandemsolarzelle 32,5 Prozent Wirkungsgrad.
Solarzellen, so könnte man meinen, sind ein weithin genutztes Standardprodukt, das kaum noch Verbesserungspotenzial hat. Doch, weit gefehlt: Internationale Forschungsteams stellen immer wieder neue Wirkungsgrad-Rekorde auf. So passiert gerade am Helmholtz-Zentrum in Berlin. Die dortigen Forscher präsentierten im Dezember 2022 eine Tandemsolarzelle mit 32,5 Prozent Rekordwirkungsgrad, die aus einer Unterzelle aus Silizium und einer Topzelle aus Perowskit besteht.
Die sogenannte Perowskit/Silizium-Tandemsolarzelle nutzt unterschiedliche Lichtspektren, um den Rekordwirkungsgrad zu erzielen. Konkret verwertet die Topzelle aus Perowskit die blauen Lichtanteile, während die Unterzelle aus Silizium die roten und nahinfraroten Anteile des Spektrums nutzt. Entscheidend für den neuen Wirkungsgrad-Rekord sind verschiedene Dünnschichten, die dazu beitragen, das Licht optimal zu verwerten – und elektrische Verluste klein zu halten.
Das Zertifizier-Institut European Solar Test Installation (ESTI) in Italien hat die Tandemzelle vermessen und diesen Wert offiziell bestätigt. Außerdem wurde der Wert in die NREL-Übersicht zu Solarzelltechnologien eingetragen, die vom National Renewable Energy Lab, USA, gepflegt wird.
Es handelt sich um eine deutliche Steigerung des Wirkungsgrades im Vergleich zu vorherigen Tandemsolarzellen. „Dies ist ein wirklich großer Sprung nach vorne, den wir vor einigen Monaten noch nicht vorhergesehen haben. Alle beteiligten Teams am HZB, speziell die Teams aus dem PV-Kompetenzzentrum (PVcomB) und dem HySPRINT Innovation Lab, haben hier hervorragend und mit großer Hingabe zusammengearbeitet“, sagt Professor Dr. Steve Albrecht.
Modifikationen von Grenz- und Oberflächen
Entscheidend für die Verbesserungen des Wirkungsgrades: Eine verbesserte Perowskit-Verbindung einerseits und eine raffinierte Modifikation der Oberfläche andererseits. So wurde eine Grenzflächenmodifikation entwickelt, bei der die Verluste der Ladungsrekombination weitgehend unterdrückt sind. Außerdem wurden spezielle Messmethoden verwendet, um die grundlegenden Prozesse innerhalb der Tandemsolarzelle besser zu verstehen.
In der Kombination führten die Modifikationen zu Höchstwerten bei der Photospannung (Leerlaufspannung).
Wettlauf zwischen Lausanne und Berlin
In den vergangenen Jahren gab es eine kontinuierliche Steigerung der Wirkungsgradwerte durch verschiedene Forschungseinrichtungen und Photovoltaik-Firmen weltweit. Speziell die letzten Monate waren dabei sehr aufregend: Verschiedene Teams vom Helmholtz-Zentrum Berlin konnten Ende 2021 einen Rekordwert von knapp 29,8 Prozent erzielen. Sie hatten dafür spezielle, periodische Nanotexturen in die Solarzellen eingebracht. Im Sommer dieses Jahres konnte dann die Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), Schweiz, diesen Wert nochmals deutlich übertreffen und als erster weltweit die 30-Prozent-Barriere durch eine zertifizierte Tandemzelle mit 31,3 Prozent Effizienz, knacken.
Nun liegt der Höchstwert mit 32,5 Prozent wieder bei den Berliner Forschern. Der wissenschaftliche Geschäftsführer des HZB, Prof. Bernd Rech, betont: „Mit 32,5 Prozent ist der Solarzellenwirkungsgrad der HZB-Tandems jetzt in Bereichen, die bisher nur von teuren III/V Halbleitern erreicht wurden. In den NREL-Chart ist grafisch deutlich zu erkennen, wie spektakulär gerade die letzten beiden Steigerungen von EPFL und HZB sind.“
Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking:
Der Wettstreit der Forscher aus Berlin und Lausanne ist gut für die Entwicklung der Photovoltaik. Wenn die Wissenschaftler aus der Schweiz nun wieder angespornt sind, noch höhere Wirkungsgrade zu erzielen, kann das nur förderlich sein. Tandemsolarzellen mit Silizium und Perowskit bieten großes Potenzial, um die Photovoltaik in noch mehr Anwendungen wirtschaftlich sinnvoll einsetzen zu können. Sie versprechen viel Energieertrag auf kleinem Raum.
Bleibt zu hoffen, dass die Wissenschaftler diese Erfolge möglichst rasch in massenproduktionsreife Lösungen umsetzen können.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.