Elektrifizierter Schwerlast-LKW: Kann der Tesla Semi die Transportbranche umkrempeln?
Es hat viel länger gedauert, als ursprünglich gedacht: Aber jetzt spricht viel dafür, dass der Produktionsstart des Tesla Semi in einem Gebäude unweit der Gigafactory Nevada unmittelbar bevorsteht. Seit Dezember 2022 werden dort fünf LKW pro Woche hergestellt. Als Tesla 2017 seine Pläne für einen Sattelschlepper mit 500 Meilen (800 Kilometer) Reichweite enthüllte, gab es reichlich Skepsis im Markt, ob die Ankündigungen wirklich realistisch sind. Mittlerweile hat sich die Skepsis gelegt. Die ersten Tesla-Semi erhielt ein Großkunde: PepsiCo.
Das Transportwesen steht vor gewaltigen Veränderungen: Während der Verteilerverkehr längst durch Elektrofahrzeuge oder gar E-Lastenräder elektrifiziert wird, steht dieser Wandel im Schwerlasttransport noch bevor. Mit dem Klasse-8-Truck, dem Tesla Semi, kommt jetzt ein Sattelschlepper auf den Markt, der mit großer Spannung erwartet wird. Die Frage, ob sich rein elektrisch betriebene Schwerlast-LKW im Alltag bewähren können, obwohl sie tonnenschwere Batteriesysteme mit herumschleppen müssen, steht vor der Beantwortung.
Es gibt heutzutage mehrere Elektro-LKW auf dem Markt, die eine zunehmend größere Reichweite bieten. Die Specs, die Tesla für den Semi angibt, sind jedoch einzigartig. Bei der Vorstellung im Jahr 2017 versprach Tesla eine Kapazität von 80.000 Pfund (36 Tonnen), eine Reichweite von 480 bis 800 Kilometern und einen Preis von 150.000 bzw. 180.000 US-Dollar. Laut Angaben von Tesla liegt der Energieverbrauch bei weniger als zwei Kilowattstunden pro Meile (= 1,6 Kilometer).
Mittlerweile hat Tesla-CEO Elon Musk per Twitter bekanntgegeben, das Tesla-Team habe Ende November 2022 eine Fahrt über eine Distanz von 500 Meilen (800 Kilometer) bei voller Beladung erfolgreich abgeschlossen. Zu erwarten ist, dass Musk am 1. Dezember beim Auslieferungs-Event des Tesla Semi in Nevada darauf Bezug nehmen wird. Bis Jahresende will Tesla bereits 100 Tesla Semi produzieren. Perspektivisch 100.000 pro Jahr.
Insbesondere die Wirtschaftlichkeit spricht für den Tesla Semi als erfolgreiches Produkt im Transportsektor: Die Betriebskosten sollen sich im Vergleich zu Diesel halbieren. Damit rechnen sich die höheren Anschaffungskosten innerhalb von nur zwei Jahren Betriebsdauer. Sind diese Angaben realistisch, ergibt sich klares Disruptions-Potenzial – Diesel-Fahrzeuge wären ab sofort unverkäuflich.
Erste Tesla Semi für Pepsi
Elon Musk verkündete persönlich via Twitter den Produktionsstart des Tesla Semi:
Schon seit einem Jahr sind die zentralen Fertigungslinien für den elektrifizierten Truck fertig. Allerdings änderte der texanische Autobauer seine Pläne vor einem Jahr und verkündete eine Verspätung um ein weiteres Jahr. Die Produktion des Trucks erfolgt in einem gesonderten Gebäude in der Nähe der Gigafactory Nevada. Ging Tesla zunächst bei der ersten Produktionslinie von fünf Fahrzeugen pro Woche aus, heißt es nun, die Kapazität würde großer sein.
Die ersten Tesla Semi erhält Pepsi: Seit Dezember 2022 laufen die Auslieferungen an PepsiCo. Und der kommerzielle Einsatz ist mehr als erfolgreich, wie das Video zeigt:
Kann ein elektrischer Schwerlast-LKW Amerikas Trucker überzeugen?
Die Elektrifizierung des Schwerlast-Verkehrs gilt – zumindest auf der Straße – als Königsdisziplin. Wer dieses Fahrzeugsegment elektrifizieren kann, schafft auch alle anderen Bereiche, so die viel zitierte Expertenmeinung. Aber wie schwer wird es dem texanischen Autobauer fallen, die Vorherrschaft insbesondere von Daimler Trucks zu durchbrechen? Mit mehreren Marken hält Daimler Trucks einen Marktanteil von 40 Prozent – im bisherigen Geschäft mit insbesondere von Dieselmotoren angetriebenen Trucks.
Joe Biden hat mit dem Inflation Reduction Act mehr als 7,5 Milliarden Dollar für Ladeinfrastruktur freigegeben – und zusätzlich Gelder für den Ausbau der Stromnetze. Hinzu kommt aus Bidens Klimapaket eine Förderung von 40.000 US-Dollar je Truck. Damit fallen die deutlich höheren Anschaffungskosten im Vergleich zu Diesel-Trucks kaum noch ins Gewicht. Aber reicht das für die Disruption und dafür, Amerikas Trucker zu überzeugen?
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking
Der Tesla Semi hat das Potenzial, die LKW-Branche nachhaltig umzukrempeln. Allein die Ankündigung von 2017 hat bewirkt, dass andere Anbieter wie Volvo oder Daimler Trucks ebenfalls auf den Zug aufgesprungen sind. Mit einer Reichweite von 500 Meilen und einem Verbrauch von 2 Kilowattstunden pro Meile (= 1,6 Kilometer), können die Elektro-LKW echte Game-Changer werden: 0,40 Dollar Betriebskosten pro Meile – halb so hoch im Vergleich zu Diesel-LKW.
Die beeindruckenden Ergebnisse rund um den Einsatz des Tesla-Semi bei PepsiCo zeigen, dass Tesla auch in diesem Fall geliefert hat. Aussagen etwa von Daimler-Managern, die Reichweitenangaben würden der Physik widersprechen, haben sich als falsch herausgestellt. Entscheidend aber war, dass Tesla in der Lage war, die Batterietechnologie entscheidend zu verbessern. Diese Wette auf die Zukunft hat Elon Musk definitiv gewonnen. Jetzt kommt es darauf an, wie schnell die Produktion skaliert werden kann…
Kritischer Bericht zum Semi – alles nur Show?
Völlig unklar ist, wie dieser negative Bericht zum Tesla Semi zu bewerten ist. Das Fazit der Aussagen eines PepsiCo-Mitarbeiters lautet im Grunde, dass das Fahrzeug nicht tauglich ist, und man sich nicht wundern würde, wenn es still und heimlich vom Markt verschwinden würde. Das passt aber mitnichten zu Elon Musk. Daher bleibt abzuwarten, wie Tesla auf diese Vorwürfe reagieren wird: [SCOOP]: The Tesla Semi from an Insider’s View After One Year: „Hot Mess“ (substack.com)
Klar scheint aber mittlerweile, dass nur geringe Stückzahlen (90?) produziert werden. Erst Ende 2024 wird mit größeren Stückzahlen gerechnet. Außerdem hat Tesla dann unterschiedliche Varianten angekündigt – etwa eine mit einem Bett etc.
(Dieser Artikel erschien am 28. November 2022. Letzte Aktualisierung: November 2023)
Lesen Sie hier weitere Tesla News.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.