Wer sich mit Tesla aktuell befasst, wird immer wieder feststellen: Die Berichterstattung vieler Medien, auch der Qualitätsmedien, ist derzeit teilweise wirklich einseitig. Einseitig negativ. Aktuell gibt es wieder so ein Beispiel. Mehr dazu in diesem Beitrag. Unterdessen gibt es weiter gute Nachrichten aus dem Hause des Elektroauto-Pioniers: Nach der Kritik von Consumer Reports und dem Update „Over the Air“ durch Tesla, wurde der Bremsweg wie versprochen verkürzt – und das sehr bedeutsame Verbrauchermagazin empfiehlt das Tesla Model 3 nun doch zum Kauf.
Als Folge sprang die Tesla-Aktie heute um fast drei Prozent nach oben. Am Frankfurter Aktienmarkt notiert die Aktie derzeit bei knapp über 250 Euro. An der NASDAQ ist der Wert auf mehr als 290 US-Dollar gestiegen, die Marktkapitalisierung von 49,45 Milliarden US-Dollar ergibt sich daraus. Zur Einordnung: Der niedrigste Wert binnen Jahresfrist waren 252 Dollar am 2. April. Anschließend stürmte die Aktie innerhalb von nur drei Tagen zurück auf über 300 Dollar. Umgekehrt schloss die Aktie auf Rekordniveau von 383 Dollar am 22. Juni 2017.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, eine der beiden bedeutendsten Tageszeitungen dieses Landes, hält die Entwicklung des Tesla-Aktienkurses für besorgniserregend. Im Beitrag „Teslas Anleihe auf Allzeittief“ benutzt Redakteur Martin Hock zwar auch die Anleihe, um seine Thesen zu begründen. Die Aussage, die Tesla-Aktie sei auf „Talfahrt“ verwundert jetzt etwas.
In recht einseitiger Weise listet Hock die Negativschlagzeilen auf, die Tesla in den vergangenen Monaten gemacht habe. So werden mehrere tödliche Unfälle mit eingeschaltetem Tesla-Autopilot ins Feld geführt oder die angebliche Unverfrorenheit von Elon Musk gegenüber Analysten, kritische Fragen nicht zu beantworten und einige andere Punkte.
Die FAZ ist sich auch nicht zu schade für einen Trump-Musk-Vergleich mit der Begründung auch Trump versende Botschaften via Twitter und schimpfe auf die Medien über diesen Kanal. Spätestens an dieser Stelle des Artikels wächst der Eindruck, dass ein negativer Artikel gewünscht ist und jedes – noch so fadenscheinige Argument – genutzt wird.
First Model 3 Handovers from Tesla, Inc on Vimeo.
Wer sich mit Tesla beschäftigt und eine Biographie von Elon Musk oder eine Tesla-Historie gelesen hat, wird ein weiteres Argument seltsam finden: Musk wolle mit seinen Twitter-Tiraden von wahren Problemen ablenken und meide Problemlösungen. Das ist nahezu absurd, wenn man versteht, wie detailversessen sich Musk beispielsweise bei SpaceX mit Raketentechnologie auseinandergesetzt hat und wenn man bedenkt, wie intensiv sich Musk mit der aktuellen Fertigungslinie nach eigenen Aussagen beschäftigt. Problemlösungen wie Umbau des Managements und Einfliegen einer Produktionslinie inklusive.
Grotesk wird es auch an der Stelle, an der sich der Autor mit Musks Bruder Kimbal auseinandersetzt, der als Verwaltungsrat eine hohe Vergütung erhält. Übrigens gekoppelt an die Entwicklung des Börsenkurses, die eingangs als „auf Talfahrt“ kritisiert wurde. Dass der Aktienkurs in den vergangenen fünf Jahren um 200 Prozent stieg, ist nun also auch wieder nicht richtig.
Sicherlich ist eine Verwaltungsrats-Vergütung von 1,533 Millionen Dollar vollkommen übertrieben. Angesichts der Kopplung an den Börsenkurs, ist aber auch ein Risikozuschlag logisch.
Im letzten Absatz kommt dann zum Vorschein, wie der Autor über das Business von Tesla allgemein denkt:
Diese Gemengelage macht Investments in Tesla-Wertpapiere noch riskanter als sie angesichts der immer noch unsicheren Zukunft der Elektromobilität es ohnehin sind.
Gerade haben Bloomberg New Energy Finance oder die IEA ihre Prognosen für die Elektromobilität veröffentlicht. Ist es wirklich noch fragwürdig, ob sich Elektroautos durchsetzen werden? Ernsthaft? Zweiflern sei dieses Buch oder jenes Video empfohlen.
Das Geschäft basiere immer noch vor allem auf Subventionen und sei deshalb gefährlich. Am Ende müsse Musk aufpassen, nicht in der Insolvenz zu enden, wie Solarworld-Gründer Frank Asbeck. Nunja, auch dieser Vergleich hinkt aus meiner Sicht ziemlich. Oder Musk endet als „Psychopath“ – es werde bereits diskutiert, ob Musk einer sei, berichtet die FAZ.
Auch DIE ZEIT geht auf Tesla los
Doch damit nicht genug der kritischen Worte über Tesla alleine aus deutschen Qualitätszeitungen. Für DIE ZEIT berichtet Wirtschaftsredakteur Matthias Breitinger über „Die Tesla-Blase“. Darin darf der müde Trump-Vergleich ebenso wenig fehlen wie die einseitige Fokussierung auf das Geld-Verbrennen, das Tesla betreiben würde. Selbst die stark wachsenden Umsätze werden kritisch betrachtet, weil noch kein Gewinn erwirtschaftet werden konnte.
Tesla führt neue Technologien ein und hat eine ganze Branche zum Umdenken veranlasst. Tesla treibt autonomes Fahren voran wie kein zweites Unternehmen auf dieser Welt – und geht damit hohe Risiken ein. Das Risiko, dass jeder Unfall, sei er noch so klein, weltweit zu Schlagzeilen wird. Würde über jeden tödlichen BMW- oder Mercedes-Unfall weltweit mit Schlagzeilen berichtet, bräuchte es eigene Medien dafür.
Angesichts dieses Negativdrucks ist es ein Wunder, dass die Aktionäre Tesla immer noch vertrauen – die Marktkapitalisierung ist immer noch beim Fünffachen des letzten Jahresumsatzes. Von einem „Liebesentzug“ der angeblich nervösen Investoren kann hier eigentlich nicht gesprochen werden. Es ist erstaunlich, dass FAZ und DIE ZEIT ganz ähnlich argumentieren, wenngleich der Artikel von DIE ZEIT wesentlich differenzierter ist.
Es steht mir natürlich nicht zu, diese beiden Redakteure zu kritisieren. Mir geht es um etwas Anderes: Mir geht es darum, zu zeigen, dass derzeit sehr einseitig negativ über dieses Unternehmen berichtet wird. Dabei gäbe es durchaus auch ab und an positive Dinge zu berichten. Angesichts dieser Einseitigkeit ist – wie geschrieben – der weiterhin hohe Aktienkurs erstaunlich.
Offenbar haben die Aktionäre ein feines Gespür dafür, dass Tesla mehr macht als nur ein paar Autos zu produzieren. Gutes Beispiel ist die Reaktion von Tesla auf die Kritik von Consumer Reports – via „Over-The-Air“-Update hat Tesla den kritisierten Bremsweg bei mehreren, aufeinander folgenden Vollbremsungen so verkürzt, dass in einem zweiten Test wenige Tage später das Urteil „Nicht zu empfehlen“ revidiert wurde.
Consumer Reports revidiert erstes Urteil
Consumer Reports kleidete seinen neuen Bericht nun ein in die Worte, es habe noch nie ein Hersteller geschafft, sein Produkt „via Remote“ so schnell deutlich zu verbessern. Auch diese Nähe zu Kunden oder zu Testern ist ein Signal an den Rest der Automobilbranche, wie schnell Tesla teilweise reagieren kann. Eine Nähe, die zu großer Loyalität mit der Marke führt, von der andere Autobauer nur träumen können. Auch deshalb ist der Aktienkurs im Vergleich zu den Negativschlagzeilen stabil.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.