Clevere Kampagne eines australischen Cleantech-Unternehmens entfacht eine Debatte über kultiviertes Fleisch.
Appetit auf Mammut-Fleisch oder solches vom Alpaka oder Känguruh? Ein Cleantech-Unternehmen sorgt gerade global für mächtig Wirbel. Die Australier von Vow Food – mehr dazu hier – haben einem niederländischen Wissenschaftsmuseum ein ganz besonderes neues Ausstellungsstück kredenzt: Einen großen Fleischball aus kultiviertem Fleisch, das auf der Basis von Mammut- und Elefanten-DNA entstanden ist. Unter dem Hashtag #mammothmeatball geht das Wollhaarmammut-Fleisch viral um die Welt. Essen wird bald Mammut Fleisch?
Vow Food, ein australisches Unternehmen für kultiviertes Essen, das Fleisch in einem Labor aus Tierzellen herstellt, hat fortgeschrittene molekulare Technik verwendet, um das Wollmammut in Form eines Fleischbällchens „wiederzubeleben“.
Der Mammut-Fleischball, der nicht zum Verkehr geeignet ist, ist diese Woche in einem niederländischen Museum für die Weltöffentlichkeit enthüllt worden. Konzept und Idee stammen von einer Kommunikationsagentur, das damit einerseits für Vow Food wirbt, aber auch allgemein eine Diskussion über kultiviertes Fleisch entfacht. Denn, so heißt es im beeindruckenden Video, es braucht jetzt staatliche Unterstützung, um Laborfleisch in die Supermärkte zu bringen.
Wie entsteht das Mammut-Fleisch?
Um das Wollmammut-Fleisch zu züchten, hat das Unternehmen zunächst das Mammut-Myoglobin identifiziert, ein Protein, das für Farbe und Geschmack von Fleisch entscheidend ist. Anschließend hat Vow Food alle verfügbaren Daten genutzt, um die DNA-Sequenz der Mammute zu identifizieren.
„Wir haben alle Lücken in der DNA-Sequenz dieses Mammut-Myoglobin-Gens mit dem Genom des afrikanischen Elefanten, dem engsten lebenden Verwandten des Mammuts aufgefüllt“, sagte James Ryall, Chief Science Officer im Video zum Mammut-Fleischbällchen. „Wir haben das Mammut-Myoglobin-Gen mit einem sehr geringen Strom- und hohen Spannungsaufwand in unsere Zellen eingeführt. Dann haben wir diese Zellen weiter wachsen und sich vermehren lassen, genauso wie es vor Tausenden von Jahren bei einem Mammut der Fall gewesen wäre. Und das Erstaunliche daran ist, dass kein einziges Tier sterben musste, um das Mammut-Fleischbällchen herzustellen.“
Mammut-Fleisch: Niemand hat probiert
Dies ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler essbare Produkte aus ausgestorbenen Tieren hergestellt haben. Im Jahr 2018 stellte ein von Risikokapitalgebern unterstütztes Silicon Valley-Startup namens Geltor Gummibärchen aus Protein eines Mastodon, einem anderen entfernten Verwandten von Elefanten, her. In diesem neuesten Fall wird jedoch angenommen, dass niemand eines der Mammut-Fleischbällchen tatsächlich probiert hat.
Professor Ernst Wolvetang vom Australian Institute for Bioengineering an der University of Queensland, der bei diesem Projekt mit Vow zusammengearbeitet hat, sagte gegenüber der Zeitung The Guardian, dass es derzeit wahrscheinlich nicht sicher ist, den Fleischball zu probieren, selbst wenn die Regulierungsbehörden es erlauben würden.
Der Fleischball, der nach Krokodilfleisch riecht, ist derzeit nicht zum Verzehr geeignet. Noakesmith sagte: „Sein Protein ist buchstäblich 4.000 Jahre alt. Wir haben es seit sehr langer Zeit nicht mehr gesehen. Das bedeutet, dass wir es rigorosen Tests unterziehen wollen, etwas, das wir bei jedem Produkt, das wir auf den Markt bringen, tun würden.“ Eine kommerzielle Vermarktung von Mammut-Fleisch ist daher nicht geplant, weil die Nachfrage vermutlich sehr gering sein wird.
Mehr Aufmerksamkeit für Mammut als für Chicken Nuggets
„Wir wollten etwas schaffen, das völlig anders ist als alles, was man jetzt bekommen kann“, sagte Vow-Gründer Tim Noakesmith gegenüber Reuters und fügte hinzu, dass ein zusätzlicher Grund für die Wahl des Mammuts darin besteht, dass Wissenschaftler glauben, dass das Aussterben des Tieres durch den Klimawandel verursacht worden ist.
Nach einigen Schätzungen stammen rund 60 Prozent der Treibhausgasemissionen aus der Lebensmittelproduktion von tierischen Lebensmitteln, doppelt so viel wie von pflanzlichen Äquivalenten. Die Nachfrage nach Mammut ist wahrscheinlich sehr gering. War die Riesenfrikadelle also reines Marketing? Ja, räumt Noakesmith.
Dabei ist Vow Food ein Unternehmen, das Mammut-Fleisch zwar nicht, aber doch exotisches, kultiviertes Fleisch voranbringen will. Statt dem Fokus auf Mainstream-Fleisch, den viele Unternehmen im Laborfleisch-Spektrum haben, geht es dem Unternehmen etwa um Alpaka-Fleisch oder solches vom Känguruh. Geschmack, den bestimmte Zielgruppen bereits kennen.
Die Frikadelle aus Mammut Fleisch – The Mammoth Meatball – im niederländischen Wissenschaftsmuseum (NEMO Science Museum) wird also tendenziell ein Einzelstück bleiben – eines, das die kultivierte Fleischindustrie im Hinblick auf Aufmerksamkeit und Demonstration der Möglichkeiten richtig vorangebracht hat. Bis auf die Titelseite des Wall Street Journal…
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.