Wie Boyan Slat 1.000 Flüsse von Plastik befreien will

The Ocean Cleanup enthüllt das Interceptor genannte System zur Reduktion der Plastikverschmutzung.

Boyan Slat ist ein Macher. Gemeinsam mit seinem Team der Organisation The Ocean Cleanup hat er gestern den Interceptor vorgestellt – eine Art Schiff, das strategisch in Flüssen positioniert werden soll, um 80 Prozent des Plastiks, das über Flüsse in die Meere gelangt, herauszufiltern. Schon bis 2025 sollen 1.000 Interceptor-Systeme installiert sein. In Indonesien und Malaysia hat die Plastik-Entfernung von The Ocean Cleanup schon begonnen.

Es ist das zweite System des inzwischen 25-jährigen Unternehmers und Visionärs Boyan Slat, das die Reinigung der Meere von achtlos weggeworfenem Plastik ermöglichen soll. Dabei fokussiert sich das Team von The Ocean Cleanup auf Flüsse, weil wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, dass 1.000 Flüsse weltweit für 80 Prozent der Plastikverschmutzung verantwortlich sind.

Der Interceptor, übersetzt bedeutet das so viel wie Abfangjäger, ist die erste skalierbare Lösung zum Abfangen von Kunststoffverunreinigungen in Flüssen und kann weltweit eingesetzt werden. Er ist in der Lage, 50.000 Kilogramm Müll pro Tag zu entnehmen – unter optimalen Bedingungen sogar 100.000.

Boyan Slat während der Keynote in Rotterdam.

Bei der Keynote von Boyan Slat zur Präsentation des Interceptor-System wurde die Funktionsfähigkeit mit Quietscheentchen demonstriert.

Bis 2025 sollen Systeme 1.000 Flüsse reinigen

Bis Ende 2025 hat sich The Ocean Cleanup zum Ziel gesetzt, eine entsprechende Anzahl Interceptor-Systeme installiert zu haben. Diese wurden vom Team seit 2015 in den Niederlanden am Hauptsitz der Organisation entwickelt. Der Interceptor ist vollautonom und versorgt sich ausschließlich mit Solarenergie direkt oder indirekt aus Lithium-Ionen-Batterien. Die Kunststoffe werden durch die Strömung und ein ausgeklügeltes System auf ein Förderband bewegt und anschließend in Müllcontainer verfrachtet.

Interceptor-System – wie funktioniert es genau?

Sobald die Container einen gewissen Füllstand erreicht haben, wird der lokale Betreiber informiert und die Container gegen leere Container ausgetauscht. Hier liegt der Pferdefuß: Eine lokale Organisation in Indonesien oder Malaysia, die pro Interceptor 50.000 Kilogramm Müll pro Tag abholt, muss diesen an Land natürlich auch verwerten. D.h. es wäre wenig gewonnen, würden diese gigantischen Mengen lediglich zu Müllhalden aufgetürmt.

Saubere Technologien, die den Plastikmüll per Pyrolyse in Kraft- oder Brennstoff verwandeln, sind notwendig, um den Kreislauf des Plastiks zu schließen. Lösungen wie sie vom Dresdner Cleantech-Unternehmen Biofabrik und anderen Cleantech-Startups angeboten werden. The Ocean Cleanup arbeitet aber nach eigenen Angaben auch mit Partnern zusammen, um Prozesse zu entwickeln, die zurückgewonnene Meereskunststoffe in wertvolle Rohstoffe und langlebige Produkte wandeln.

Mit dem Interceptor und dessen Einsatz, der in Indonesien und Malaysia bereits begonnen hat und in Vietnam und der Dominikanischen Republik unmittelbar bevorsteht, will Boyan Slat die Lücke schließen („Close the gap“), durch die Plastik in die Meere gelangt. Nur wenn der Nachschub weitergehend aufhört, kann die Reinigung der Meere mit dem ersten System von The Ocean Cleanup erfolgreich sein.

Interceptor Einsatz in Kuala Lumpur

Endlich existieren Lösungen, um beide Seiten der Gleichung zur Reinigung der Ozeane von Plastik zu berücksichtigen.

Boyan Slat, Gründer und CEO von The Ocean Cleanup

Vier Interceptor-Maschinen hat das 90-köpfige Ingenieurs-Team von The Ocean Cleanup bereits gebaut. Zwei Systeme sind in Jakarta (Indonesien) und Klang (Malaysia) in Betrieb. Ein drittes System soll in Vietnam in Can Tho im Mekong-Delta (Vietnam) installiert werden, während das vierte in Santo Domingo (Dominikanische Republik) zum Einsatz kommen soll.

Zusätzlich zu diesen Standorten hat sich Thailand für den Einsatz eines Interceptor-Systems in der Nähe von Bangkok entschieden, und weitere Vereinbarungen stehen kurz vor dem Abschluss, darunter eine in LA County (USA), die den Scale-Up startet.

The Ocean Cleanup hat auch eine Weltkarte entwickelt, um in Echtzeit zu erfassen, wo die größten Plastik-Mengen gerade sind:

Die Plastik-Weltkarte zeigt, wo das Plastik-Problem besonders groß ist.

Hintergrund: The Ocean Cleanup

Anstatt mit Schiffen und Netzen Plastikmüll zu suchen – was viele tausend Jahre und Milliarden von Dollar in Anspruch nehmen würde – plant The Ocean Cleanup den Einsatz einer Flotte von langen schwimmenden Barrieren, die wie eine künstliche Küstenlinie wirken und es den Winden, Wellen und Strömungen ermöglichen, den Kunststoff passiv zu fangen und zu konzentrieren. Nach der vollständigen Inbetriebnahme wird erwartet, dass die gesamte Flotte passiver Sammelsysteme alle fünf Jahre 50% des Great Pacific Garbage Patch entfernt.

Nach jahrelangen Erkundungsexpeditionen, maßstabsgetreuen Modellversuchen und dem Einsatz von Prototypen in der Nordsee wurden in den Jahren 2018 und 2019 die ersten Ozeanreinigungssysteme im Great Pacific Garbage Patch eingesetzt. Sobald der Beweis der Technologie erbracht ist, kann The Ocean Cleanup mit der vollständigen Reinigung beginnen und damit beginnen, riesige Mengen an Meereskunststoff zu entfernen, die sich seit Jahrzehnten im Ozean angesammelt haben.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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