Viele Kommentatoren unterstellen dem Nikola-Chairman, gar keinen Semi-Truck zu entwickeln.
Am 3. Juli erlebte Trevor Milton als Chairman der Nikola Corporation schwere Stunden. Im Internet schrieben unzählige Kommentatoren negative Posts über das Cleantech-Unternehmen, seinen Chef und die Produkte wie den neuen Nikola Badger oder den angekündigten Brennstoffzellen-Truck. Tenor: Das ganze Unternehmen sei Betrug, man entwickle gar keine Produkte, wolle nur an Geld von Investoren. Und das, obwohl Milton im Social Web ausgesprochen offen kommuniziert. Ob die Hater mit seiner Reaktion gerechnet haben?
Vor etwa einer Stunde lud Trevor Milton die Trolle, wie er sie nennt, mit einer besonderen Aktion überrascht. Per Instagram Live brach der Nikola-Gründer zu einer kleinen Rundfahrt mit dem mit vier Motoren ausgestatteten Brennstoffzellen-Truck auf. Dabei zeigte er nicht nur den aktuellen Zustand des Prototypen von Außen, sondern auch im Truck einige Messwerte wie die aktuelle Leistung der Brennstoffzelle beispielsweise.
„Es ist der leiseste Truck, in dem ich jemals gesessen habe“, sagt Trevor Milton begeistert, als der über das Werksgelände gefahren wird. Den meisten Lärm macht ganz offensichtlich der Kühlkörper, der dafür sorgt, die Brennstoffzelle und die Batterien herunterzukühlen – es ist offensichtlich ziemlich heiß am heutigen Tag in den USA.
Er war sich lange sicher, nicht auf den „Bullshit“ der Kommentatoren antworten zu wollen, aber irgendwann gebe es einen Punkt, wo man seine Entscheidungen überdenke. Die Kommentare hatten in den letzten zwei Wochen auch dazu beigetragen, dass der Aktienkurs deutlich zurück ging.
Eigentlich ein normaler Vorgang für ein Unternehmen, wie Nikola, das rund um den Börsengang eine unglaubliche Begeisterung ausgelöst und einen Börsenwert von 20 Milliarden Dollar erreicht hat – aber eben noch lange keine signifikanten Umsätze macht. Aber Trevor Milton ist überzeugt davon, dass die Aktie seines richtig bewertet sei – mit der Vision im Hinterkopf, emissionsfreie Mobilität im Truck-Bereich zu ermöglichen.
Vorgeschichte: Trevor Milton reagiert bei Twitter
Anfang Juli hatte Milton wie folgt auf die unfreundlichen Kommentare reagiert (frei übersetzt):
Wir haben die negativen Tweets verfolgt, und die meisten von ihnen sind keine Nikola-Aktionäre, sondern diese angeheuerten Hände, die sagen, dass sie alle ihre Aktien verkaufen, nur um die Angst zu schüren, und andere dazu auffordern, das Gleiche zu tun, was sich als Anti-Nikola oder bezahlte Angriffskonten herausstellt. Offensichtlich koordiniert.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass jubelnder Hass und das Schüren von Angst etwas Wert ist, was mit EV zu tun hat. Es macht mich krank. Es gab heute Zehntausende von Hass-Kommentaren über alle Plattformen hinweg, die koordiniert wurden, um uns zu schaden. Sie müssen gegen Hass und Angst aufstehen. Sie sollten sich gegenseitig aufrufen.
Zumindest für den Moment dürften die Kommentare verschwinden – mit seinem Livestream hat Trevor Milton mehrere Zehntausend Zuschauer erreicht, die überwiegend positiv reagierten. In den letzten Wochen hat sich Milton immer wieder der Öffentlichkeit gestellt, auch harten Fragen von CNBC oder anderen Medien. Er geht regelmäßig mit zufällig ausgewählten Followern Mittagessen, wirkt wie ein offener Mensch.
Dem Aktienkurs seines Unternehmens tat die überraschende Aktion gut: Das Papier legte bis 19:30 deutscher Zeit, also in den ersten vier Handelsstunden, rund ein Viertel an Wert zu.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.