Wichtiger Meilenstein: Behörde FDA erklärt das kultivierte Hähnchenfleisch von Upside Foods für unbedenklich.
Die Welt ist derzeit mitten in einer Nahrungsmittel-Revolution. Pioniere wie das 2015 gegründete Cleantech-Unternehmen Upside Foods, sind drauf und dran, den Lebensmittelsektor vollständig und nachhaltig zu verändern. Die Kalifornier produzieren kultiviertes Fleisch direkt aus Tierzellen – und müssen dafür kein Rind, Schwein oder Huhn töten. Gelingt dem Unternehmen der Eintritt in amerikanische Restaurants im Jahr 2023?
Das 2015 gegründete Cleantech-Unternehmen Upside Foods war nach eigenen Angaben das erste Unternehmen überhaupt, das sich an das komplexe Thema „zellkultiviertes Fleisch“ herantraute. Damals bezweifelten viele Experten nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit. Sieben Jahre später sind die Zweifel deutlich kleiner geworden, wenngleich kultiviertes Fleisch des Unternehmens bislang noch nicht in Restaurants oder Supermärkten angeboten wird.
Wie entsteht kultiviertes Fleisch?
Kultiviertes Fleisch wächst nicht in einem Tier, sondern in einem Reaktor. Dadurch werden zahlreiche, durch die Fleischindustrie ausgelöste negative Nebeneffekte vermieden: Beispielsweise der Landverbrauch für den Anbau von Tierfutter oder das Zuführen von Antibiotika ins Futter, um die Tiere vor Krankheiten zu schützen. Und: Die Tiere müssen theoretisch nicht mehr auf engstem Raum gemästet werden, sollte der Durchbruch für kultiviertes Fleisch gelingen.
Auch das „tierische“ Fleisch, das viele von uns so gerne konsumieren, basiert darauf, dass tierische Zellen wachsen. Upside Foods entnimmt einem lebenden Tier eine Probe solcher Zellen und legt diese in ein Kultivator genanntes Gefäß. Darin werden die Zellen mit einer Nährstoffmischung gefüttert, damit sie sich vermehren und wachsen können. Dieses Nährmedium besteht vor allem aus Aminosäuren, Fetten, Zucker, Salzen, Vitaminen und Spurenelementen, die auch in Tierfutter vorkommen.
Der Vorgang, bis das schmackhafte, rohe Fleisch bereits zur Ernte ist, dauert bei den Kaliforniern drei Wochen. Die Besonderheit ist, dass sich das so hergestelltes Fleisch sich optisch nur marginal von konventionellem Tierfleisch unterscheidet. Es ist weder vegan noch vegetarisch, sondern echtes Fleisch – das ist der Unterschied zu pflanzlichen Alternativen etwa auf Basis von Erbsenproteinen.
Mit seiner Technologie und seinem Knowhow kann Upside Foods nicht nur Hühnchenfleisch herstellen – das wird das erste Produkt in Restaurants sein, sondern unterschiedliche Fleischsorten (Rind, Huhn, Ente) und Meeresfrüchte.
Wie weit ist Upside Foods bei der Kommerzialisierung?
Upside Foods hat gerade in den vergangenen drei Jahren gewaltige Schritte in Richtung Kommerzialisierung der Technologie gemacht. Von Einzelpersonen wie Bill Gates, Richard Branson, John Doerr oder Kimbal und Christiana Musk bis zu Konzerne wie Softbank, Temasek, Cargill, Tyson Foods und Abu Dhabi Growth Fund hat eine breite Riege an Kapitalgebern in das Cleantech-Unternehmen investiert. Ende 2022 liegt das eingesammelte Kapital bei mehr als 800 Millionen Dollar.
Im November 2021 hat Upside Foods ein Zentrum für die Entwicklung und die Produktion eröffnet. Es gilt als einer der fortschrittlichsten Produktionsanlagen für kultiviertes Fleisch überhaupt und kann gemahlene oder ganze Fleischstücke, Geflügel oder Meeresfrüchte produzieren. Die Produktionskapazität reicht zunächst für 25.000 Kilogramm Fertigprodukt – kann aber auf 200.000 Kilogramm Jahresproduktion ausgedehnt werden. Der Standort hat 53.000 Quadratmeter und liegt in Emeryville in Kalifornien.
Bevor das kultivierte Fleisch des Cleantech-Unternehmens aber seinen Weg in Restaurants und Supermärkte findet, steht noch die dreistufige Genehmigungsphase in den USA bevor. Am 16. November 2022 gelang Upside Foods hierbei der erste und größte Schritt in Richtung Zertifizierung:
Die amerikanische Food and Druck Administration (FDA) hat dem Unternehmen bescheinigt, dass sein kultiviertes Hähnchen unbedenklich ist. Der Prozess bis zu diesem Moment dauerte immerhin vier Jahre und Upside Foods reichte unter anderem auf 104 Seiten eine Begründung ein, warum das Produkt für Konsumenten sicher ist. Anschließend prüfte die Behörde etwa die Produktionsprozesse des Unternehmens – angefangen bei der Herstellung der Zelllinien bis zur Kontrolle der Produktion.
Im nächsten Schritt folgen noch zwei Zulassungen durch das US-Landwirtschaftsministerium. Die Prüfung der FDA gilt aber als heikelster Schritt in Richtung Inverkehrbringen der Produkte. Somit ist durchaus davon auszugehen, dass es Upside Foods in der zweiten Jahreshälfte 2023 zur vollständigen Zertifizierung seines Hähnchenfleisches bringen wird. Dann, so der Plan, werden zunächst Restaurants damit beliefert.
Die USA wären nach Singapur das zweite Land, das Laborfleisch zulässt. Im asiatischen Staat wird eine Portion Hühnchen-Nuggets aus dem Labor für 17 Dollar angeboten.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.