Verkehrsbedingte Emissionen steigen weiter, während die der EU-Gesamtwirtschaft bereits sinken.
Verkehrsbedingte Emissionen in Europa könnten bis 2030 von heute 29 auf dann 44 Prozent steigen. Das ist das Ergebnis der Analyse „State of European Transport“, die gegenläufige Trends zeigt: Während die Emissionen der Gesamtwirtschaft bereits sinken, sind die Emissionen des Verkehrs seit 1990 um mehr als ein Viertel gestiegen. Der Sektor dekarbonisiere sich dreimal langsamer als der Rest der Wirtschaft, schreiben die Autoren von Transport & Environment. Es werde Zeit, das Problem der Verkehrsemissionen endlich ernst zu nehmen.
Sinken die Emissionen des Verkehrs nicht auch, rückt das europäische Ziel, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, in weite Ferne. Es sei zwar, so die Autoren der Analyse, unwahrscheinlich, dass die verkehrsbedingten Emissionen ihren jüngsten Spitzenwert aus dem Jahr 2019 wieder erreichen würden, doch wenn keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, werde es Europa nicht gelingen, 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
„Auf europäischer Ebene zeichnet sich das gleiche Bild ab, wie in Deutschland: der Verkehrssektor bleibt das Sorgenkind“, sagt Sebastian Bock (Linkedin), Geschäftsführer von T&E Deutschland.
Unter Einbeziehung jetziger Maßnahmen könnte der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen von heute 29 auf dann 44 Prozent im Jahr 2030 steigen. Die verkehrsbedingten Emissionen in der EU belaufen sich derzeit auf mehr als 1.000 metrische Tonnen von Kohlenstoffdioxidäquivalent (MTCO2e), was der Summe aller Emissionen von Deutschland und den Niederlanden entspricht.
Statt in Brüssel bereits vereinbarte Klimaschutzmaßnahmen zu sabotieren und blockieren, sollte Deutschland endlich wieder Führung zeigen und alles dafür tun, damit der Verkehrssektor möglichst schnell die Emissionen senkt.
Sebastian Bock, T&E
Details zu den Emissionen des Verkehrs
Mit Benzin und Diesel betriebene Autos sind für über 40 Prozent aller Verkehrsemissionen verantwortlich. Die Abhängigkeit vom Auto hat seit den 1990er Jahren zugenommen, was die wachsende Fahrzeugflotte und der Bau von Autobahnen zeigt. Erst seit kurzem ist ein Rückgang der durchschnittlichen PKW-Emissionen zu verzeichnen, da mehr Elektroautos auf den Markt kommen.
Die Emissionen des Luftverkehrs haben sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt – schneller als in jedem anderen Verkehrsbereich. Zusätzlich können Kondensstreifen die Klimaauswirkungen des Fliegens verdreifachen.
In der Analyse untersucht T&E die Auswirkungen der EU-Klimaregelungen auf die Verkehrsemissionen und kommt zu dem Ergebnis, dass sie die Verkehrsemissionen bis 2040 um nur 25 Prozent und bis 2050 um 62 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringern werden.
- Autos, Lieferwagen und Lastwagen, die bis Mitte der 2030er Jahre gekauft werden, werden noch jahrelang auf den europäischen Straßen unterwegs sein und Benzin und Diesel verbrennen.
- Schifffahrtsunternehmen haben kaum Anreize, ihre betriebliche Effizienz zu steigern.
- Die Nachfrage nach Flügen, die durch die wachsende Flughafenkapazität angekurbelt wird, macht in diesem Jahrzehnt alle Emissionseinsparungen durch umweltfreundlichere Kraftstoffe wieder zunichte.
Dekarbonisierung des Verkehrssektors: Zusätzliche Maßnahmen erforderlich
Die Analyse von T&E zeigt dementsprechend, dass neben der vollständigen Umsetzung der wichtigsten Green-Deal-Maßnahmen zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind, um den Verkehr vollständig zu dekarbonisieren. Dazu gehören:
- Stopp des Ausbaus neuer Flughafen- und Autobahnkapazitäten.
- Ehrgeizige und verbindliche Zielvorgaben für den Kauf von E-Autos für Unternehmen. Zusammen mit Maßnahmen für den aktuellen Fahrzeugbestand und zur Verhinderung von dessen Wachstum könnten bis 2040 Emissionen um weitere 213 MtCO2e gesenkt werden.
- Erschließung von Effizienzgewinnen im Schifffahrtssektor könnten bis 2030 weitere 93 MtCO2e eingespart werden.
- Direkte Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist mehr als 2-mal effizienter als die Nutzung von Wasserstoff und 4-mal effizienter als die Nutzung von E-Fuels. Europa kann es sich nicht leisten, erneuerbare Elektronen zu verschwenden.
Unterschiedliche Entwicklung innerhalb des Sektors
Vorläufige Daten zeigen laut T&E, dass die Emissionen des Straßenverkehrs im vergangenen Jahr um 8 Mio. t CO2e und die des Schiffsverkehrs um 5 Mio. t CO2e gesunken sind. Dieser Rückgang wurde durch den anhaltenden Aufschwung im Luftverkehr zunichte gemacht. Hier stiegen die Emissionen um 15 MtCO2e.
Verkehrsemissionen können durch die Elektrifizierung von Autos, Last- und Lieferwagen kostengünstig mit Batterien und erneuerbaren Energien gesenkt werden. Hierin liegt die einfachste Maßnahme für den Klimaschutz, wie Transport & Environment betont. Mehr Anstrengungen braucht es bei Flugzeugen und Schiffen: Grüne Treibstoffe wie E-Kerosin oder Ammoniak und Methanol müssen bereitgestellt werden.
Zusätzlich braucht es der Studie zufolge einen Plan, um klimaschädliche Kondensstreifen zu beseitigen. „Wenn der Ausbau von Straßen und Flughäfen gestoppt wird, ist die Aufgabe der Dekarbonisierung sehr viel einfacher“, betont Sebastian Bock. Während Frankreich und Spanien mit dem Verbot von Inlandsflügen begonnen haben, gibt es in Deutschland in der Luftfahrt keinerlei signifikante Bestrebungen, die verkehrsbedingten Emissionen zu reduzieren.
State of European Transport – alle Inhalte
Hier sind alle Inhalte der Analyse „State of European Transport“ zu finden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.