Schwedisches Cleantech-Startup Volta Greentech industrialisiert Rotalgen-Futter dazu. Erstes methanreduziertes Rindfleisch in Schweden im Supermarkt erhältlich.
Die Fakten sind klar: Etwa vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sind mit der Viehzucht verbunden. Im Vergleich zu Flugreisen ist das die doppelte Menge. Die Zahl von 1,5 Milliarden Rindern weltweit, muss mittelfristig reduziert werden. Jedes Tier produziert pro Jahr 70 bis 120 Kilogramm Methan. Jetzt hat das Cleantech-Startup Volta Greentech ein alternatives Futtermittel mit Rotalgen aus dem Meer (Asparagopsis taxiformis) entwickelt, das kurzfristig helfen kann, die Methan-Emissionen zu reduzieren.
Die Fabrik von Volta Greentech ist an der schwedischen Küste angesiedelt. Dort produziert das Cleantech-Startup seit 2021 Asparagopsis taxiformis im kommerziellen Maßstab. Es handelt sich bei Asparagopsis um eine Rotalge aus dem Meer, die bislang an Land noch nie angebaut wurde. Aber die Kommerzialisierung hat einen Grund: Wenn die Meeresalge dem Viefutter beigemischt wird, rülpsen und pupsen die Kühe weniger Methan.
Fredrik Åkerman, Mitgründer und CEO von Volta Greentech, stieß 2017 durch Zufall auf einen wissenschaftlichen Artikel im Internet – und wunderte sich, dass es bislang nicht kommerziell genutzt wird. Denn Rindfleisch und Milch haben einen größeren, ökoligischen Fußabdruck als andere Nahrungsmittel, was zum Teil auf das Wiederkäuen der Kühe und deren Verdauungsapparat zurückzuführen ist. Pro Jahr entstehen so pro Kuh 100 Kilogramm Methan.
Methan ist im Vergleich zu Kohlendioxid, das viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit steht, ein 28-fach stärkeres Treibhausgas. Angekommen in der Atmosphäre, ist es allerdings deutlich kürzer vorhanden und zerfällt nach einem bis zwei Jahrzehnten. In den vergangenen Jahren sind die vom Mensch erzeugten Methan-Emissionen in der Wissenschaft aber stärker in den Fokus gerückt, weil die prognostizierte Entwicklung mit der tatsächlichen Entwicklung nicht übereinstimmte. Immer wieder kommen neue Erkenntnisse zur Erklärung des starken Anstiegs der Methan-Emissionen ans Tageslicht.
Neben Volta Greentech arbeiten auch andere Cleantech-Startups an Lösungen für die Reduzierung der Methan-Emissionen der Rinder. Mootral test etwa gerade eine Art Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Knoblauch, das den Kühen helfen soll, ihre ballaststoffreiche Nahrung besser zu verdauern. Die Rotalgen von Volta Greentech scheinen im Vergleich zu diesem Mittel jedoch überlegen und besonders wirksam zu sein.
Forscher einer Universität erzielten schon bei Zugabe von einem Prozent der Rotalgen zum Viehfutter eine 60-prozentige Reduktion der Methan-Emissionen. In Australien stellten Forscher bei Zugabe von zwei Prozent eine 99-prozentige Reduzierung fest. Wichtig dabei: Die Kühe weigern sich nicht, das versetzte Futter zu fressen – und Milch und Fleisch der Rinder ändern sich im Geschmack ebenfalls nicht.
Unser Ziel ist es, dass dieses Futterergänzungsmittel zum Industriestandard in der Milch- und Fleischindustrie wird. Dies hat das Potenzial, das größte Ereignis zu werden, das der Branche seit pasteurisierter Milch passiert ist.
Fredrik Åkerman, CEO und Co-Gründer von Volta Greentech
Volta Greentech sammelt frisches Kapital ein
Die Herausforderung, die Volta Greentech u.a. durch frische Mittel einer Finanzierungsrunde von 500.000 Euro lösen möchte: Die Rotalge lässt sich schlecht in großen Mengen direkt aus dem Meer ernten. Daher versucht das Startup nun, die Herstellung zu industrialisieren. Labortests haben ergeben, dass die Algen in der neuen Fabrik unter künstlichem Licht in Tanks angebaut werden. Sie erhalten frisches Meerwasser aus dem Ozean. Abwärme aus einer nahegelegenen Ölraffinerie wird Gebäude und Wasser erwärmen.
Schon frühzeitig erhielt der Gründer mit seinem Team Unterstützung anderer Unternehmer aus dem Cleantech-Sektor in Schweden. Zu den ersten Geldgebern gehörten u.a. Peter Carlsson, der Gründer von Northvolt, Vivianne Holm, Gründerin von Climeon und die Risikokapitalgesellschaft Wave Ventures aus Helsinki.
Die Finanzierungsrunde von ca. 500.000 Euro stammt unter anderem von der Beijer-Stiftung, dem Finanzier Claes Dinkelspiel und dem Foodtech-Unternehmer Sorosh Tavakoli.
„Die Produktion selbst kann sehr nachhaltig werden, weil Algen, genau wie Bäume, CO2 aufnehmen, um zu wachsen“, sagt Åkerman. „Wir werden also Kohlendioxid in die Produktionsanlage pumpen, um sicherzustellen, dass die Algen schneller wachsen, und gleichzeitig das CO2 abfangen.“
Noch in diesem Jahr soll die Produktion aufgenommen werden, so das Unternehmen Volta Greentech. Bleibt noch die Frage des Geschäftsmodells: Hierbei arbeitet das Startup mit Landwirten und Lebensmittelunternehmen zusammen. Vorerst ist davon auszugehen, dass die Verbraucher einen leichten Aufschlag für klimafreundliche Milch oder klimafreundliches Fleisch zahlen müssen.
Mittelfristig soll bewiesen werden, dass die Kühe gesünder und schneller wachsen – so könnten Landwirte einen Anreiz erhalten, in das zusätzliche Futter zu investieren. Politische Regulierung könnte aber natürlich auch entscheidend zum Erfolg beitragen. In Kalifornien gibt es etwa eine Reglung, wonach Milchbauern die Methan-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent reduzieren müssen.
Natürlich ist die Veränderung des Tierfutters nicht die einzig notwendige Veränderung in der Viehzucht. Fleischalternativen und bessere Bedingungen für Rinder müssen ebenfalls dazu beitragen, dass die Viehzucht insgesamt reduziert wird und die Bedingungen verbessert werden. Es ist daher gut, dass es Unternehmen wie Volta Greentech gibt, die verhältnismäßig rasch eine Veränderung herbeiführen könnten. Verhaltensänderungen der Branche und der Verbraucher insgesamt, werden so aber nicht ersetzt.
Methanreduziertes Rindfleisch im schwedischen Supermarkt
Am 21. Juni 2022 gab Volta Greentech bekannt, dass im Zusammenspiel mit der Supermarktkette Volta Greentech und dem Lebensmittelkonzern Protos erstmals methanreduziertes Rindfleisch angeboten wird.
2022 startete Volta Greentech zusammen mit dem Lebensmittelkonzern Protos und Coop ein Pilotprojekt auf Gotland, mit dem Ziel, erstmals gemeinsam methanreduziertes Fleisch an die Fleischtheke zu bringen. Im Rahmen des Projekts erhielten zehn Bullen auf Ejmunds Farm auf Gotland Algen als Teil ihres täglichen Futters für etwa drei aufeinanderfolgende Monate vor der Schlachtung.
In einer begleitenden Studie wurden verschiedene Arten der Fütterung der Tiere getestet und die meisten erreichten eine Methanreduktion von über 90 %, mit einem Durchschnitt für den Zeitraum von etwa 80 %. Darüber hinaus wurden während der Studie neue Methoden entdeckt, um das Futter reibungslos in die tägliche Arbeit des Betriebs zu integrieren, was es künftig mehr Betrieben erleichtern wird, die gleiche Lösung zu implementieren.
Die Ergebnisse der Studie haben unsere Erwartungen übertroffen! Dies ebnet den Weg für die zukünftige schwedische Fleischproduktion, mit der richtigen Produktionsmethode zeigen wir, dass Fleisch auch aus Klimasicht ein hochwertiges Lebensmittel ist
Thomas Östlund, CEO von Protos
Diese werden für eine begrenzte Zeit in ausgewählten Geschäften abgepackt als etwa 500 Gramm Rinderhackfleisch in Schalen zu einem ungefähren Preis zirka 5,50 Euro verkauft. Gleichzeitig werden auch andere ausgewählte Teile wie Rumpsteak und Rinderfilet freigegeben, die über die Theke verkauft werden. Die drei Partner haben bereits mit der Planung für die zukünftige Einführung zusätzlicher Produkte begonnen. Ein schnelles Ausrollen schein möglich zu sein.
Seaweed: Algen-Futter gewinnt an Popularität
Die Produktion von Tierfutter auf Basis von Algen, im Englischen als Seaweed bezeichnet, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Volta Greentech ist eines von einer Reihe von Cleantech-Startups, die sich damit auseinandersetzen. Der entscheidende Hebel für den Klimaschutz sind dabei nicht immer die Methan-Emissionen, aber deren Reduzierung ist eine wichtige Herausforderung.
Ein weiteres Unternehmen in diesem Bereich nennt sich The Seaweed Company. Überzeugt davon, dass Meeresalgen eine bedeutende Rolle bei der Schaffung einer lebenswerten Zukunft spielen können, kombiniert das Cleantech-Unternehmen einzigartiges biologisches, technologisches und finanzielles Fachwissen, um regenerative CO2-reduzierende Konzepte, Produkte und Anwendungen auf der ganzen Welt umzusetzen.
Dieser Artikel erscheint zunächst am 1. Juni 2020, wurde zuletzt am 26. Juni 2022 erweitert.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.