Seit dem Verkaufsstart des ID.3 am 20. Juli 2020 hat die neue Elektroauto-Ära rund um Volkswagen begonnen.
Rückblickend ist der 20. Juli 2020 als Beginn einer neuen Auto-Ära zu bezeichnen. Der Verkaufsstart des VW ID.3 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Autokonzerns: Erstmals wurde ein explizit als Elektroauto entwickeltes Fahrzeug auf den Markt gebracht. Der Mut von Konzernchef Herbert Diess, mit großem Risiko in dieses neue Zeitalter zu starten, ist auch ein Resultat des Diesel-Abgasskandals. Der Turnaround und Milliarden-Investitionen waren die Folge – der ID.3 wurde zu einem Versprechen für eine bessere Zukunft.
Die Last auf den Achsen des ID.3 ist zum Verkaufsstart am 20. Juli 2020 gewaltig: Als Hoffnungsträger für den gesamten Konzern haben wir das damals noch VW Neo genannte Auto bezeichnet. Als „Auftakt für die Elektro-Aufholjagd zu Tesla“ stilisiert Herbert Diess das Auto hoch. Wesentlich kritischer beäugt die Süddeutsche Zeitung das E-Auto: „futuristisch wie ein vergessenes Mayonnaiseglas“ sei der neue Volksstromer.
Der VW ID.3 steht in der Tradition des Käfer und des Golf – kann das neue E-Auto auch bei den Verkaufszahlen ein würdiger Nachfolger werden?
Das neue Auto ist Teil der Elektromobilitäts-Offensive eines Konzerns, der seit dem Diesel-Abgasskandal im Dauer-Krisenmodus ist. Die Radikalität des Turnarounds war nur möglich, weil es den Skandal gab, und mit Herbert Diess ein Manager an die Spitze kam, der erkannte, dass der Konzern womöglich nicht mit konsequenter Ausrichtung auf die Zukunft eine Chance zum Überleben hat.
Erster einer neuen Produktfamilie
Die neue ID-Produktfamilie steht für eine neue Generation Fahrzeuge, in denen mehr Wert auf Digitales und Nachhaltigkeit gelegt wird, als auf eine stramme Motorisierung. Verspielte Lichtleisten im Innenraum, ein großes Display zur Steuerung von Infotainment und Co. oder die umfassende Versorgung mit USB-Steckdosen zeigen die neue Ausrichtung.
Aber auch das Ökosystem rund um das Fahrzeug hat sich gewandelt: Wer einen ID.3 online konfiguriert, erhält einen Code, mit dem er genau dieses Fahrzeug beim lokalen Händler vor Ort bestellen kann. Der ID-Konfigurator, dem es ein wenig an Übersichtlichkeit mangelt, ist Tesla nachempfunden – wie so Vieles rund um die neue Elektroauto-Strategie von Volkswagen.
Das Ökosystem umfasst auch den Lade-Service We Charge, den optionalen Kauf einer Wallbox für Zuhause und den obligatorischen Ökostromvertrag. Eine Schnellladefunktion gehört dabei im ID.3 zum guten Ton, eine Wärmepumpe für effizienten Verbrauch im Winter allerdings nicht.
Volkswagen erweckt den Eindruck, als wolle es der Kern mit dem VW ID.3 jedem Recht machen – zum Verkaufsstart gibt es den ID.3 in sieben Varianten von Sportlich bis maximale Reichweite, die im Grunde so unterschiedlich gar nicht sind:
- Life (Preis: 37.788 Euro): Komfort-Paket (Lenkradheizung, Sitzheizung und zwei zusätzliche USB-C-Anschlüsse)
- Style (ab 40.946 Euro): Komfort-Paket, großes Designpaket (inkl. Matrix-LED-Scheinwerfer, LED-Rücklichter, Wischblinkern hinten, Panoramaglasdach)
- Business für 41.287 Euro: kleines Designpaket (Matrix-LED-Scheinwerfer, getönte Scheiben), Komfortpaket, Assistenzpaket (Rückfahrkamera, schlüsselloses Zugangssystem)
- Family ab 42.306 Euro: großes Designpaket, großes Komfortpaket (mit Zweizonen-Klimaanlage) und Assistenzpaket.
- Tech kostet 43.680 Euro: großes Designpaket, großes Assistenzpaket (Travel Assist, Side Assist und Emergency Assist), großes Infotainment-Paket (inklusive Head-up-Display) und ein Sound-Paket
- Max (ab 45.917 Euro): alle großen Pakete, außerdem elektrisch 12-fach einstellbarer Massagesitz, Progressivlenkung, adaptive Dämpfer (DCC).
- Tour für 40.936 Euro: Basis ist Viersitzer-Modell ID.3 ProS – Möglichkeit für 77-Kilowattstunden-Batterie / Reichweite steigt auf 550 Kilometer WLTP
Milliarden-Offensive für Elektromobilität
Der VW ID.3 ist der Start einer Milliarden-Offensive für Elektromobilität aus dem Hause Volkswagen. Pünktlich zur Ausweitung des Umweltbonus, der E-Auto-Förderung der Bundesregierung, ist das erste Fahrzeug erhältlich. Anschließend geht es Schlag auf Schlag: Bis 2022 sollen Fahrzeuge in allen wichtigen Segmenten angeboten werden. Sie alle werden ein ID im Produktnamen tragen.
Über den ID.1 als Nachfolger des e-Up gibt es bereits Spekulationen, das erste SUV ID.4 wird ab September 2020 ebenfalls in Zwickau vom Band laufen. So will Volkswagen den Sprung zum Weltmarktführer für Elektromobilität schaffen – mit zunächst 100.000 Elektroautos im Jahr 2020 und dann einer raschen Skalierung auf eine Million Fahrzeuge. Zum Vergleich: Tesla baut im Jahr 2020 500.000 Fahrzeuge, baut alle Fabriken aus und neu in Grünheide.
Es spielt eigentlich auch keine große Rolle, ob Volkswagen oder Tesla mehr Elektroautos absetzen: Die Nachfrage wird bis 2026 explodieren, glaubt man Experten wie Tony Seba oder vertraut auf die eher psychosozialen Prognosen des sogenannten Osborne-Effekts. Gelingt die rasche Disruption, wonach auch während der Corona-Pandemie alles aussieht, gibt es für Tesla und Volkswagen genügend Platz in einem Markt, der insgesamt im laufenden Jahrzehnt schrumpfen wird.
Wie Volkswagen mit dem VW ID.3 ins E-Auto-Zeitalter startet, ist bemerkenswert – die wilde Fahrt in die Zukunft hat gerade erst begonnen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.