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Friedrich Merz & Schwarz-Rot: Wärmewende auf Eis gelegt?

Wie der neue Koalitionsvertrag Mieter im Stich lässt und Vermieter schont

Die Wärmewende, die den Abschied von Öl- und Gasheizungen bringen soll, droht unter der neuen Regierungskoalition auf Eis gelegt zu werden. Während Mieter auf sinkende Heizkosten hoffen und Handwerker auf Aufträge warten, scheinen sich Vermieter entspannt zurückzulehnen. Der neue Koalitionsvertrag gefährdet nicht nur die Klimaziele, sondern ist auch ökonomisch kurzsichtig, da er Mieter im Stich lässt, Vermieter schont und wichtige Investitionen in die Zukunft verzögert. Wir schauen uns an, wer die Zeche für dieses Zögern zahlen muss – und ob die Wärmewende überhaupt noch eine Chance hat.

Die neue Regierung plant laut Koalitionsvertrag, das umstrittene „Heizungsgesetz“ auf den Prüfstand zu stellen. Dabei hat die IEA dieses Gesetz noch für seine sinnvolle Verbindung aus Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und Anforderungen der Industrie und des Handwerks gelobt. Ökonomisch gesehen könnte eine Abschwächung des Gesetzes ein Fehler sein, denn Paragraph 71 des GEG 2023 garantiert, dass neue Heizungen und ab 2028 auch Heizungen im Bestand zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen.

Gerade dieser Paragraph ist aber im Fokus der Kritik der Union. Im Bild-Artikel freut sich CDU-Chefverhandler Andreas Jung: „Die Grundsatzentscheidung ist im Koalitionsvertrag getroffen, Einzelheiten müssen ausgestaltet werden.“ Bedeutet: Die 65-Prozent-Pflicht, die schrittweise für alle Heizungen gelten sollte und beispielsweise alleinstehende Gasheizungen verhindert, soll entfallen.

Während sich Jung darüber freut, bleibt die Frage: Wie sollen so die Klimaziele eingehalten werden? Schon heute – mit der Regelung des §71 – klafft nach Einschätzung des Umweltbundesamtes im Jahr 2030 eine Zielerreichungslücke von 110 Millionen Tonnen CO2. Damit drohen durch maßgebliche EU-Gesetzgebung Milliardenkosten für den Kauf von entsprechenden Zertifikaten – allerdings nicht in der jetzigen Legislaturperiode, sondern in der Folgenden. Nach mir die Sintflut?

Wärmewende mit Emissionshandel

Wie im Artikel über den Koalitionsvertrag beschrieben, bleibt beim Lesen das Gefühl, die Gasindustrie habe mit am Tisch gesessen und Union und SPD wesentliche Passagen diktiert. Es ist allen Partnern offenbar ein Dorn im Auge, dass im Neubau fast ausschließlich Wärmepumpen verbaut werden – doch gerade diese Elektrifizierung ist die wichtige Basis, die sicherstellen soll, dass der CO2-Preis nicht überbordend steigt, weil die Dekarbonisierung des Gebäudestandes vorangeht.

Mit der Abschaffung der 65-Prozent-Regel könnten sich im Zusammenspiel mit dem ETS2 ab 2027 besonders zwei ökonomische Effekte ergeben:

  • Einerseits werden dadurch mehr Gasheizungen verbaut, was die Emissionen erhöht und den CO2-Preis tendenziell steigen lässt.
  • Andererseits reduziert sich der Druck für Vermieter, umweltfreundliche Heizungen einbauen zu müssen, weil selbst ein aus heutiger Sicht verdoppelter CO2-Preis kaum Anreize setzt, um im Sinne der Mieter zu investieren.

Das Ganze wird dadurch verstärkt, dass der Fokus auf marktwirtschaftliche Instrumente wie den Emissionshandel die wichtige Investitionsförderung für Heizungen (BEG) zu verdrängen droht. Die Kehrseite einer solchen Politik ist, dass sie soziale Ungleichheit verschärft und die Klimaziele in noch weitere Ferne rücken lässt.

Die EU-Gebäuderichtlinie: Rettungsanker für die Wärmewende?

Die EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) ist ein zentrales Instrument der Europäischen Union, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern und die Klimaziele zu erreichen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken und den Einsatz erneuerbarer Energien zu fördern.

Die wichtigsten Aussagen der EPBD:

  • Mindeststandards für die Gesamtenergieeffizienz: Die EPBD schreibt Mindeststandards für die Gesamtenergieeffizienz von Neubauten und Bestandsgebäuden vor. Diese Standards sollen sicherstellen, dass Gebäude einen möglichst geringen Energieverbrauch aufweisen.
  • Sanierungspflichten für Bestandsgebäude: Die EPBD verpflichtet die Mitgliedstaaten, Strategien zur Sanierung des Gebäudebestands zu entwickeln und umzusetzen. Ziel ist es, den Energieverbrauch von Bestandsgebäuden schrittweise zu senken.
  • Förderung erneuerbarer Energien: Die EPBD fördert den Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden. So sollen beispielsweise Solaranlagen auf Neubauten installiert werden.
  • Elektromobilität: Die EPBD schreibt vor, dass Neubauten mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausgestattet werden müssen.
  • Energieausweise: Die EPBD verpflichtet die Mitgliedstaaten, Energieausweise für Gebäude auszustellen. Diese Ausweise sollen Transparenz über den Energieverbrauch von Gebäuden schaffen und den Vergleich mit anderen Gebäuden ermöglichen.

Die EU-Gebäuderichtlinie muss von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland erfolgt die Umsetzung durch das GEG. Die EPBD gibt den Rahmen vor, den die Mitgliedstaaten dann mit eigenen Gesetzen und Verordnungen füllen müssen.

Der Wirtschaftsrat der CDU fordert einen klaren Kurswechsel in der Klimapolitik des Gebäudesektors und will die EPBD am liebsten abschaffen – unter dem Vorwand marktwirtschaftlicher Instrumente mit dem Emissionshandel. Damit würden Fristen für schrittweise Verbote fossiler Brennstoffe wegfallen.

Doch, so argumentiert Ökonom Johannes Hofmann mit Recht, reicht es nicht, nur Anreize durch eine Förderkulisse zu bieten, um die Menschen zum Umstieg auf umweltfreundliche Heizungen zu bewegen. Er beurteilt dieses Vorgehen als ineffizient und verbraucherschädlich.

Das bisherige Gebäudeenergiegesetz aus dem Jahr 2024 hat eine klare Logik: Ab 2028 muss der Anteil erneuerbarer Energien steigen – reine Gasheizungen hingegen dürfen nicht mehr verbaut werden. Warum macht das Sinn? Weil eine Gasheizung eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren hat. Wird nach 2030 noch eine Gasheizung verbaut – wie es die Union möchte – wird die Lebensdauer schon nicht mehr ausgeschöpft.

Dazu hatte die BEG-Förderung den Menschen sogar die Abwägung zwischen Wärmepumpe und Gasheizung massiv erleichtert: Die Förderung ist so ausgerichtet, dass sie eine Preisparität zwischen Wärmepumpe und Gasheizung bei den Investitionskosten herstellt. Die günstigeren Betriebskosten sind damit dann sogar das „Green Premium“, das Umsteller bekommen – doppelter Anreiz für die, die mittelfristig denken und nicht nur kurzfristig.

Handwerk und Heizungsindustrie: Warten kostet Arbeitsplätze

Natürlich ist derzeit unklar, wie sich die BEG-Förderung mit der neuen Regierung entwickeln wird. Womöglich wird sie erhalten und zusätzlich auf andere Heizungsarten wie etwa Holzheizungen und H2-ready-Gasheizungen ausgedehnt. Trotzdem: Die Sprüche von Friedrich Merz, man werde den CO2-Preis so teuer machen, damit es sich nicht mehr rechne, Gasheizungen zu betreiben, hat die Menschen aufgeschreckt. Mal wieder.
Und: Für Handwerk und Industrie ist jedes Abwarten von Eigentümern, Vermietern und Mietern fatal. Die Wärmepumpen-Industrie hat ein Auf-und-Ab erlebt in den vergangenen Jahren. 2024 wurden 200.000 Wärmepumpen verbaut, aber 400.000 Gasheizungen.

Doch die, die Gasheizungen einbauen tappen in vielfältige Kostenfallen:

  • Sie werden unter hohen Betriebskosten leiden durch den ETS2
  • Zusätzlich werden Netzentgelte steigen – Gasnetze werden zu Stranded Assets
  • Bisher gab es eine Pflicht, ab 2028 schrittweise Biomethan oder Wasserstoff beizumischen – doch dieser §71 könnte entfallen

Industrie und Handwerk stehen schließlich vor dem Problem schleppender Verkäufe, die etwa bei einem externen Schock und einem kräftigen Anstieg der Gaspreise urplötzlich zu einem Run führen könnten. Dann wären Liefer- und Einbauzeiten entsprechend lang, und Eigentümer und Mieter müssten die hohen Kosten voll tragen – oder die Politik müsste noch mehr zuschießen, um den politischen Druck zu reduzieren, wie es auch Ökonom Dr. Patrick Kaczmarczyk befürchtet.

Fazit: Wärmewende auf Eis – ein gefährliches Spiel mit Mietern und Klima

Die im Koalitionsvertrag skizzierte Strategie zur Wärmewende ist ein hochriskantes Unterfangen mit ungewissem Ausgang. Besonders für Mieter zeichnet sich eine prekäre Situation ab, während Vermieter weitgehend unbehelligt bleiben. Die Gasindustrie, die offenbar bei den Verhandlungen erheblichen Einfluss ausübte, dürfte mit dem Ergebnis zufrieden sein: Ein „fossiles Weiterso“ erscheint nun wahrscheinlicher denn je.

Die Konsequenzen dieses Kurses sind potenziell verheerend:

  1. Mieter werden die Hauptlast der steigenden Energiekosten tragen, ohne wirksame Instrumente zur Entlastung.
  2. Vermieter haben kaum Anreize, in klimafreundliche Heizungssysteme zu investieren.
  3. Die Klimaziele rücken in weite Ferne, was nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch fatale Folgen haben wird.
  4. Deutschlands Steuerzahler drohen massive Kosten durch EU-Strafzahlungen und teure Zertifikatskäufe.

Es ist höchste Zeit, dass die Politik die Wärmewende rettet, bevor es zu spät ist. Wir brauchen dringend:

  • Ein umfassendes, gerechtes und effektives Konzept, das Mieter entlastet und Vermieter in die Pflicht nimmt.
  • Klare Anreize und Vorgaben für den Umstieg auf erneuerbare Energien im Gebäudesektor.
  • Eine Abkehr von fossilen Energieträgern, die Deutschland langfristig teuer zu stehen kommen werden.

An die Bürgerinnen und Bürger ergeht der dringende Appell, ihre Stimme zu erheben und für eine echte Wärmewende einzustehen. Nur gemeinsam können wir verhindern, dass kurzfristige Industrieinteressen über das Wohl von Mietern und Klima triumphieren. Die Zeit zum Handeln ist jetzt – bevor die Rechnung für alle unbezahlbar wird.

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