Wärmepumpe als Heizung: Wie Lindner und Wissing die Effizienz-Strategie von Habeck mit synthetischen Brennstoffen kontern will
Die FDP-Bundesminister Christian Lindner und Volker Wissing wollen die Effizienz-Strategie von Wirtschaftsminister Robert Habeck mit synthetischen Kraft- und Brennstoffen kontern. In Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung geht es dabei vor allem um die Wärmewende mit E-Fuels und nur zweitrangig um die Rettung des Verbrennungsmotors im PKW trotz Verbrenner-Verbot. Die Liberalen haben die auf den ersten Blick verlockenden PR-Slogans von Verbänden wie dem mittelständischen Mineralölverband Uniti übernommen und bereiten Milliarden-Subventionen vor. Verhindert die FDP damit Habecks Heizungs-Pläne?
Habeck hat in den vergangenen Wochen immer wieder seine Pläne für die Wärmewende der Bundesregierung in Deutschland erläutert. Doch ein frühzeitig in der Springer-Presse geleakter Gesetzesentwurf und gezielt gestreute Falschmeldungen der Bild-Zeitung haben Bevölkerung, Hersteller und Handwerk verunsichert. Dabei geht der Wirtschaftsminister seriös vor bei seiner Effizienz-Strategie für den Heizungskeller.
Das große Bild ist klar: Ganz der Wissenschaft folgend setzt Habeck auf die effiziente Wärmepumpe als Kerntechnologie für das Heizen der Zukunft. Um beispielsweise sicherzustellen, dass – wie geplant – 500.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert werden können, holte der Minister die Branche an einen Tisch. Dies führte zur Gewissheit, dass es an den Produktionskapazitäten nicht scheitern wird. Jetzt werden die Installationsbetriebe etwa beim Finden von Fachkräften unterstützt.
Und die Wärmepumpe ist nicht die einzige Lösung, die Habeck in Zukunft in deutschen Heizungskellern sehen will, bis dann 2045 fossile Energieträger keinen Zutritt mehr haben. Städte und Kommunen sind aufgefordert, Planungen für die erneuerbare Fernwärmeversorgung zu starten. Daneben sind auch viele Kombinationen möglich, wenn diese einen Erneuerbaren-Anteil von 65 Prozent haben – etwa durch Solarthermie, Brauchwasserwärmepumpen in Kombination mit Gas-Brennwertgeräten, die mit Biogas betrieben werden.
Lindner kontert mit synthetischen Brennstoffen
Die Effizienz-Strategie von Habeck wollen Lindner und Wissing nun mit synthetischen Brennstoffen kontern. Dabei ist den FDP-Ministern klar, dass die Öl- und Gas-Industrie, die genau auf solche, strombasierten Kraft- und Brennstoffe setzt, hohe Subventionen braucht. Da die Partei aber weder das Wirtschafts- noch das Bauministerium hält, musste ein anderer Plan her: Wissing stellte zuletzt vollkommen überraschend die Verkehrswende in Europa in Frage, sorgte damit für ein fatales Medienecho und brüskierte die EU-Partner.
Hintergrund: Porsche-Fahrer Lindner will als Finanzminister dafür sorgen, dass die Hersteller strombasierter Kraftstoffe hohe Subventionen erhalten, damit die bislang sündhaft teuren und kaum vorhandenen E-Fuels erschwinglich werden. Porsche und Siemens Energy mit dem Projekt Haru Oni in Chile dienen als Brücke vom FDP-geführten Verkehrsressort in das Ressort von Robert Habeck – also den Bereich von Heizungen.
Denn die E-Fuels-Lobbyverbände und Öl-Unternehmen wie Total Energies trommeln längst nicht nur für den Einsatz von E-Fuels in Fahrzeugen aller Art, sondern wollen auch den Schiffsverkehr, den Luftverkehr bedienen. Und: Über das Versprechen von synthetischem Heizöl sollen die mehr als 5,5 Millionen Öl-Heizungen in Deutschland, die 20 Millionen Menschen mit Wärme versorgen, erhalten werden. „Klimaneutrale“ E-Fuels für die Wärmewende?
Habeck Heizung: FDP und postfossile Lobby
Mit dem Festhalten an fossilen Heizungssystemen sowie teuren, ineffizienten E-Fuels auch in Sektoren, die etwa durch Wärmepumpe oder Elektroauto leicht elektrifiziert werden können, würde sich die Transformation ins Unermessliche verteuern. Allein die Wärmewende würde extrem verteuert. Das zeigt eine Fülle von Studien. Die Wissenschaft verkündet unisono: Die Bereiche, die leicht elektrifiziert werden können, sollten auch direkt über Strom versorgt werden.
Doch die FDP folgt nicht der Wissenschaft, sondern stattdessen den blumigen Versprechungen einer postfossilen Lobby, die beispielsweise aus diesen Organisationen besteht:
- Mineralölwirtschaftsverband MWV
- Institut für Wärme und Oeltechnik e.V. IWO
- MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland e.V.
- UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen.
Bislang spielen E-Fuels keine Rolle, weil es jenseits von Demo- und Pilotanlagen praktisch nur die Anlage von Porsche in Chile gibt, die als kommerziell bezeichnet werden kann. Das zeigt auch die Übersicht der E-Fuel Alliance und der rechts abgebildete Screenshot. Doch der Output e-Methanol ist mit 10 Euro pro Liter viel zu teuer, um marktfähig zu sein. Die weitere Skalierung der Anlage in Südamerika gelingt nur mit (Dauer-)Subventionen, die Porsche längst öffentlich eingefordert hat.
Wie gering die Mengen an E-Fuels noch sehr lange sein werden, zeigt auch der Fakt, dass sich die deutsche Luftfahrt-Industrie bis 2030 nur zu einer zweiprozentigen Beimischungsquote für innerdeutsche Flüge durchringen konnte. Werden diese geringen Mengen für urbane Wärmewende oder PKW verschwendet, wird nicht einmal dieses Ziel erfüllbar sein.
Und auch die E-Fuels-Verbände gehen von „sehr geringen“ Mengen ab frühestens 2025 aus. Erst in 27 Jahren soll es dann 100-Prozent-Kraftstoffe auf Basis von E-Fuels geben.
Der Leitantrag für den FDP-Parteitag zeigt unverhohlen, dass Lindner diese Investitionen subventionieren will: „Der Hochlauf der Produktion und Nutzung muss daher bereits kurzfristig angereizt werden“, heißt es dort im Entwurf, aus dem das Handelsblatt am 9. März unter dem Titel „Leitantrag für den Parteitag: FDP fordert Anreize für E-Fuels“ zitierte.
Wie die Interessen der Öl- und Gas-Industrie auch in der Wärmewende gezielt durchgesetzt werden, zeigt die Studie „Pipelines in die Politik“ von Lobbycontrol, deren zentrale Ergebnisse der Blog Volksverpetzer zusammenfasste.
Synthetische Kraftstoffe, HVO-Kraftstoff und E-Fuels
In der öffentlichen Debatte gehen zentrale Begrifflichkeiten immer wieder durcheinander. Offenbar durchaus mit Absicht, um von Themen wie Kosten, Subventionen und Verfügbarkeit abzulenken.
Definition Synthetische Kraftstoffe
Hiermit sind ganz unterschiedliche Kraftstoffe gemeint, die sich von herkömmlichen Kraftstoffen durch das Herstellungsverfahren unterscheiden. Kennzeichnen ist in der Regel, dass Erdöl ersetzt wird. So gibt es beispielsweise synthetische Kraftstoffe auf Basis von Erdgas oder Kohle, die alles Andere als klimafreundlich sind. Teilweise wird auch Wasserstoff direkt oder mit seinen Derivaten wie Methanol zu den synthetischen Kraftstoffen gezählt. Es ist also eher ein Oberbegriff, der auch Power-to-Liquids und Sun-to-Liquids (E-Fuels) als Herstellungsmethode einschließt.
Definition E-Fuels
Diese Kraftstoffe gelten im Vergleich zu den anderen Herstellungsmethoden als klimafreundlich – können im Idealfall CO2-neutral sein (aber niemals klimaneutral). In der Regel werden diese E-Fuels mit Ökostrom-Elektrolyse und atmosphärischem Kohlendioxid zusammengebracht. Eine Alternative ist es, konzentrierte Solarwäre zu verwenden (Sun-to-Liquid).
Definition HVO
Zur Herstellung von HVO-Kraftstoffen werden Pflanzenöle durch katalytische Reaktion von Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Diese Kraftstoffe sind unter bestimmten Umständen sehr viel CO2-freundlicher als herkömmliche, fossile Kraftstoffe. Sie gelten aber nicht als klimaneutral.
Als die FDP kürzlich bei Twitter von einer Zulassung synthetischer Kraftstoffe durch die Bundesregierung sprach, gibt es genau um solche HVO100-Kraftstoffe, die in Europa durchaus verbreitet sind. Aber die entsprechende Regulierung muss sicherstellen, dass kein Palmöl verwendet wird, und der verwendete Wasserstoff nicht auf Basis von Erdgas hergestellt wird, sondern auf Basis erneuerbarer Energien.
Peinlicher Patzer von Christoph Ploß
Wie sehr die unterschiedlichen Begrifflichkeiten verwirren, ist sogar im Bundestag bzw. anschließend auf Twitter deutlich geworden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Ploß behauptete Anfang März im Bundestag, E-Fuels seien überall in Europa im Einsatz.
Darauf angesprochen, wo sich die entsprechenden Tankstellen befänden, retweetete Ploß eine Landkarte, die der UNITI-Lobbyist Dominik Hellriegel ihm lieferte. Doch, was für ein Fauxpas, diese Landkarte zeigt keine E-Fuel-Tankstellen, sondern solche die HVO in Beimischungen oder komplett bieten.
Wissing hält Habeck-Strategie für Klima-Blabla
Wie selbstvergessen der Bundesverkehrsminister Volker Wissing mittlerweile auftritt, zeigen seine heutigen Aussagen in einem Interview mit der Welt. Darin kritisiert Wissing das „Klima-Blabla“ und meint damit Habecks Heizungs-Pläne. Das zeigt seine tatsächliche Einstellung in Sachen Klimaschutz – und erklärt, warum er sich verklagen lassen muss, um die Klimaziele in seinem Ministerium einzuhalten. Wie soll mit einer solchen Einstellung die Wärmewende gelingen?
Doch Wissing ist nicht der einzige Liberale, der gerade mit verwirrenden Äußerungen viele Fragen offen lässt. Dieser Tweet vom Parteivorsitzenden Christian Lindner führt im Umkehrschluss dazu, dass ein Verbot von fossilen Kraftstoffen ab 2035 gefordert werden müsste. Ob der Bundesfinanzminister das wirklich so gemeint hat?
Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking
Der Kampf um die Wärmewende einerseits und die Verkehrswende andererseits ist noch nicht zu Ende. Habeck geht mit einem klaren Plan das große Thema Wärmeversorgung der Gebäude an. Dass dabei die Wärmepumpte als wichtigste Heizung im Mittelpunkt steht, ist angesichts der Effizienz-Vorteile eines elektrifizierten Haushaltes nur konsequent. Klar ist aber auch: Noch können längst nicht alle Installationsbetriebe Wärmepumpen auslegen und verbauen – hier besteht großer Schulungsbedarf.
Lindner und Wissing spielen sich jetzt auch als Retter der Gas- und Öl-Heizung auf, was wirklich verwirrend ist. Am einen Tag behaupten sie, alte Gasheizungen könnten problemlos mit Wasserstoff betrieben werden. Am anderen Tag trommeln sie für E-Fuels für alte Öl-Heizungen, weil damit ja die gesamte Infrastruktur beibehalten werden könne.
Ja, Transportschiffe, LKWs und Raffinerien können teilweise erhalten bleiben – aber irrsinnig große Parks mit Erneuerbaren Energien, Meerwasserentsalzungsanlagen und Elektrolyse-Stätten müssen zugebaut werden. Und: Stadtnetze für Wasserstoff zu ertüchtigen ist eine hochkomplexe Aufgabe, die kaum realistisch erscheint.
Effizienz schlägt Verzweiflung
In der Summe wirken die Pläne der FDP wie eine Verzweiflungstat, um mit den genannten Lobby-Gruppen, dem BDI oder dem BDH einigen FDP-nahen Organisationen zu gefallen. Wirklich durchdacht jenseits populistischer Sprüche ist das jedoch nicht. Daher gehe ich davon aus, dass sich Habeck durchsetzen wird, und die Wende im Heizungskeller seriös voranbringen wird: Effizienz schlägt Verzweiflung.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.