Warum Elon Musk Tesla von der Börse nehmen möchte

Börsenspekulanten gegen Tesla und hoher Druck zum Erreichen von Quartalsergebnissen aus Sicht von Musk eher kontraproduktiv für die Erreichung der langfristigen Mission von Tesla

Die letzten Tage waren wieder besondere Börsentage, die zeigen, wie volatil die Tesla-Aktie eigentlich ist. Vor Bekanntgabe der Quartalszahlen ging es bergab, seitdem geht es in zwei fulminanten Schüben nur nach oben. Gestern trug dazu auch ein Tweet von Elon Musk bei, in dem er darüber nachdenkt, Tesla von der Börse zu nehmen. Und dabei gleich einen Preis je Aktie von 420 US-Dollar ins Spiel bringt. Aus Sicht der Shortseller, die mit Milliarden gegen Tesla wetten, wäre das ein Horrorszenario.

Der Tweet von Elon Musk, er denke darüber nach, Tesla von der Börse zu nehmen und habe entsprechende Gelder, rund 71 Milliarden US-Dollar gesichert, sorgte zunächst für Unsicherheit bei den Medien. Ist das Ernst gemeint, fragte CNBC? Handelt es sich um einen offiziellen Tweet, fragte electrek.co. Und tatsächlich: Wenig später veröffentlichte Tesla einen Brief von CEO Elon Musk an seine Mitarbeiter, in dem er das Szenario, warum er Tesla von der Börse nehmen möchte, relativ konkret beschrieb.

Die wichtigsten Aussagen im Überblick (Quelle):

  • Eine endgültige Entscheidung ist bislang nicht getroffen.
  • Der Quartalszahlen-Zyklus führt laut Musk zu hohem Druck auf das Unternehmen und dazu, Entscheidungen zu treffen, die gut für die Quartalsbilanz sind, aber möglicherweise nicht so sehr für die langfristige Mission von Tesla
  • Als „Public Company“ gibt es eine Vielzahl an Personen, die das Ziel haben, Tesla zu schaden, um beispielsweise von sinkenden Aktienkursen zu profitieren.
  • Musk wörtlich: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in Bestform sind, wenn sich jeder auf die Ausführung konzentriert, wenn wir uns auf unsere langfristige Mission konzentrieren können und wenn es keine perversen Anreize für Menschen gibt, zu versuchen, dem zu schaden, was wir alle erreichen wollen.“
  • Als Vergleich nennt Musk SpaceX – das Unternehmen sei operativ viel effizienter als Tesla, weil es dem genannten Druck nicht ausgesetzt sei. Einen Zusammenschluss der beiden Unternehmen strebt Musk nicht an
  • 420 US-Dollar pro Aktie sind der Aktienkurs nach Bekanntgabe der Quartalszahlen, kombiniert mit einem 20-prozentigen Aufschlag

Besonders interessant für Anteilseigner wird die Idee, die Elon Musk für die zukünftige Aktionärsstruktur hat: Demnach sollen alle Aktionäre die Wahl haben, ihre Anteile für 420 US-Dollar je Aktie zu verkaufen oder mit eingeschränkten Rechten investiert zu bleiben. Er hoffe, alle Anteilseigner würden investiert bleiben, aber all jene, die ausbezahlt würden, würden einen guten Preis erzielen.

So sollen Tesla-Mitarbeiter am Rückzug von der Börse partizipieren

Auch Tesla-Mitarbeiter sollen Anteilseigner bleiben – so wie es bei SpaceX der Fall ist. Mitarbeiter könnten beispielsweise alle sechs Monate eine Möglichkeit erhalten, ihre Anteilsscheine zu verkaufen. Das würde es insbesondere den Mitarbeitern ermöglichen, weiterhin am steigenden Wert des Unternehmens zu partizipieren, wofür „Sie alle so hart gearbeitet haben.“

Wichtig ist Elon Musk auch noch, dass es nicht darum gehe, seine Anteile an Tesla zu erhöhen – er habe derzeit 20 Prozent und nicht das Ziel, dass dieser Anteil höher ist, wenn der Deal abgeschlossen ist. Letztlich, so betont Elon Musk im Schreiben an seine Mitarbeiter, gehe es darum, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für Tesla zu schaffen, die weniger von kurzfristigem Denken abhängig sind.

Entscheiden über den Rückzug von der Börse sollen darüber letztlich die Aktionäre, so Musk. In welche Richtung der Chef tendiert, ist klar herauszulesen. Aus seiner Sicht ist es in der jetzigen Wachstumsphase der richtige Weg für Tesla – nicht ausgeschlossen, dass Tesla irgendwann in ruhigerem Fahrwasser an die Börse zurückkehren wird.

Börse setzt Tesla-Aktie aus – anschließend 11-Prozent-Rallye

Elon Musks Tweet sorgte an der Börse NASDAQ sogar für ein kurzfristiges Aussetzen des Aktienkurses. Trotzdem sprangen die Anteilsscheine mehr als 11 Prozent in die Höhe – zwar noch ein Stück von 420 US-Dollar entfernt (aktuell 380 US-Dollar), aber doch deutlich in diese Richtung strebend.

Es ist pikant: Die neue Volte zeigt auch, wie sehr sich Elon Musk zurückhalten musste bei der Verkündung der Quartalszahlen zuletzt (Cleanthinking berichtete, er sei der neue Wall Street-Liebling). Aber dieses Verhalten, wofür er von einst erbitterten Gegnern plötzlich viel Lob erntete, scheint nicht die DNA eines Elon Musk zu sein. Ihn langweilen kurzfristige Ziele. Er möchte seine langfristige Mission mit Tesla erfüllen – und da stören ein paar Quartalsverluste nur.

Insofern ist der Rückzug von der Börse ein cleverer Schachzug, um mit Erreichen der Profitabilitäts-Schwelle (jedenfalls nach Aussage von Musk) ruhiger und allein langfristig orientiert agieren zu können.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.