Geht bald der Menschheitstraum, Weltraum-Solarenergie zu ernten, in Erfüllung?
Ist die Chance, Strom aus Solarfeldern im Weltraum zu ernten, viel näher und realistischer als wir glauben? Vor kurzem erst demonstrierten Emrod und Airbus, wie elektrische Energie in Form von Mikrowellen von A nach B gebeamt werden kann – Power Beaming nennt sich das. Jetzt im Januar 2023 ist ein weiterer Meilenstein erreicht worden: Forschergruppen vom California Institute of Technlogy (Caltech) haben sogenannte Solarkacheln in den Orbit geschickt. Wie soll Weltraum-Solar funktionieren?
Weltraum-Solar oder Solarenergie aus dem All bringt prinzipiell ein paar Vorteile: Im Orbit ist es wolkenlos und – je nach Umlaufbahn – auch keine Nachtphasen. Solarenergie, die dort produziert wird, wird also deutlich gleichmäßiger hergestellt als auf der wetterabhängigen Erde.
Allerdings ist der Installationsaufwand für ein Weltraum-Solarkraftwerk gewaltig. Als die Idee vor mehreren Jahrzehnten aufkam, erschienen die Kosten derart übermächtig, dass der Versuch, Solarstrom aus dem Weltall auf die Erde zu beamen, lange Zeit nicht weiter verfolgt wurde. Doch mittlerweile sind Solarzellen günstiger geworden, neue Technologien wurden entwickelt – und ein Transport in den Orbit erscheint nicht mehr aussichtslos.
Schon im Dezember 2022 wollen daher Forscher vom Caltech erstmals Solarkacheln in den Orbit schießen. Diese Kacheln sind winzig: Zehn mal zehn Zentimeter. Die Kachel wiegt drei Gramm, soll aber 50 bis 100 mal so effizient sein wie Solarzellen, die bislang im Orbit genutzt werden. Das Besondere: Die Kacheln haben Leistungselektronik integriert, um die gewonnene Energie mithilfe von Mikrowellen zur Erde zu übertragen.
Weltraum-Solar mit Origami
Die Weltraum-Solarkacheln sind platzsparend gefaltet – in Anlehnung an die berühmten japanischen Falttechniken Origami und Kirigami. Im Weltraum lassen sie sich zu 60 mal 60 Meter großen Solarmodulen kombiniert. Doch damit ist das Ende nicht erreicht: Bis zu neun Quadratkilometer große Solarkraftwerke sind im Weltraum denkbar. Das Entpacken im All erfolgt vollautomatisch, so der Plan.
Der Aufwand, diese Solarfelder zu generieren, ist groß: Mindestens 13 Raketenstarts sind notwendig. Die Kosten pro Kilowatt Peak werden mit ein bis zwei Dollar angegeben – ein Bruchteil der Kosten für Photovoltaik-Anlagen in der Freifläche.
Finanziert wird das „Space-based Solar Power Project“ von dem Milliardär David Bren und seiner Frau Brigitte, die bislang mehr als 100 Millionen US-Dollar in den Traum von Weltraum-Solar investierten.
Meilenstein: SSPD Demonstrator ins All geschickt
Der Space-based Solar Power Demonstrator (SSPD) ist am 3. Januar 2023 von einer SpaceX-Rakete ins All geschickt worden. Ursprünglich war der Start für Dezember vorgesehen. Das Paket besteht aus insgesamt vier Komponenten, die insgesamt 50 Kilogramm wiegen:
- DOLCE: Eine 30 cm² große Struktur, die die Architektur, das Verpackungsschema und die Einsatzmechanismen der Träger demonstriert, die schließlich eine kilometergroße Konstellation bilden sollen, aus der ein Kraftwerk bestehen wird
- ALBA: Eine Sammlung von 32 verschiedenen Solarzellen, um eine Bewertung der Zelltypen zu ermöglichen, die unter Weltraumbedingungen am effektivsten sind
- MAPLE: Ein Array aus flexiblen, leichten Mikrowellen-Leistungssendern mit präziser Zeitsteuerung, die die Leistung selektiv auf zwei verschiedene Empfänger fokussieren, um die drahtlose Leistungsübertragung über Entfernungen im Weltraum zu demonstrieren.
- Eine Elektronikbox, die mit dem Computer verbunden ist und die drei Experimente steuert.
Die Experimente sollen einige Wochen nach dem jetzt erfolgten Launch durchgeführt werden.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de:
Die Idee klingt bestechend: Solarenergie aus dem Weltraum – für Flugzeuge, Raumstationen und die noralgischen Punkte auf der Erde, die schwer zu versorgen sind. Allerdings: Weltraum-Solar darf niemals zu einem Alibi werden dafür, auf der Erde weniger schnell mit der #Energiewende voranzugehen. Denn anzunehmen, dass Weltraum-Solarenergie schnell erschwinglich sein wird, ist töricht.
Daneben ist die Frage zu beantworten, was mit den Solarkacheln passiert, wenn sie ihr Lebensende erreicht haben. Müllen wir – nachdem wir es auf dem Planeten vorgemacht haben – jetzt verstärkt den Orbit zu? Auf der Erde können Solarmodule zunehmend besser recycelt werden. Im Orbit sind die Rohstoffe für immer verloren?
Dieser Artikel entstand ursprünglich am 30. Oktober 2022. Die letzte Aktualisierung gab es am 4. Januar 2023.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.