TU München nimmt weltweit einzigartiges Wasserkraftwerk in Betrieb

Das sogenannte Schachtwasserkraftwerk entstand im bayerischen Fluss Losach und soll die Natur stärker schonen.

Im bayerischen Fluss Loisach ist ein neuartiges Wasserkraftwerk in Betrieb gegangen. Das Schachtwasserkraftwerk schont die Natur stärker als herkömmliche Anlagen, weil die Turbine in einem Schacht im Flussbett versteckt wird. Dadurch können Fische über das Kraftwerk hinweg flussabwärts wandern. Die saubere Technologie wurde von der TU München entwickelt und jetzt in Betrieb genommen.

Bislang stößt die Wasserkraft als erneuerbare Energie in Deutschland an ihre Grenzen. Die ökologischen Vorgaben für neue Anlagen sind kaum noch einzuhalten, weil natürliche Lebensräume, Fischwanderwege und Uferlandschaften nicht geschädigt werden sollen. Denn oft werden Fische zum Kraftwerk getrieben und an Turbine oder Gitter tödlich verletzt.

Ein Team der TU München hat das nun entscheidend verbessert: Denn das Schachtwasserkraftwerk der Wissenschaftler ist ein weltweit einmaliger Kraftwerkstyp, der die Natur deutlich stärker schont. Der Flusslauf muss nicht umgeleitet werden – stattdessen wird vor einem Wehr ein Schacht ins Flussbett gebaut, in dem Turbine und Generator untergebracht werden. Das Wasser fließt in den Schacht, treibt die Turbine an und wird unter dem Wehr in den Fluss zurückgeleitet. Ein kleinerer Teil fließt über den Schacht und das Wehr hinweg.

Den Ingenieuren ist es offenbar gelungen, die Strömung so zu steuern, dass Kraftwerk effizient Strom erzeugt, aber gleichzeitig der Sog in den Schacht gering ist. Zahlreiche Untersuchungen an einem Prototypen haben gezeigt, dass die meisten Fische deshalb sicher über dem Schacht schwimmen. Mehr noch: Durch zwei Öffnungen im Wehr können sie gefahrlos flussabwärts wandern. Flussaufwärts gelangen sie über eine übliche Fischtreppe.

Das Schachtkraftwerk hat neben dem Fischschutz einen weiteren Vorteil für die Gewässerökologie: Es ist auch für Geröll und Treibholz, die der Fluss mit sich führt, durchlässig. Die Bewegung und Ablagerung dieses „Geschiebes“ ist beispielsweise für Laichplätze wichtig. Ein Gitter, der sogenannte Rechen, der auf dem Schacht liegt, hält es von der Turbine ab. Dann wird es von der Anlage regelmäßig flussabwärts geschoben. Dafür wird ein Verschluss im Wehr geöffnet. Auf diese Weise kann auch Hochwasser abgelassen werden.

Das Schachtkraftwerk erfüllt so strenge ökologische Kriterien, dass die erste Anlage in einem Natura-2000-Gebiet genehmigt werden konnte. In der Loisach bei Großweil im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wurden die Fischwanderwege durch den Bau sogar verbessert: Das Kraftwerk wurde von der Wasserkraft Großweil GmbH an einer bereits vorhandenen Rampe errichtet, die für Fische bislang nur schwer überwindbar war. Ein neues Wehr musste nicht gebaut werden.

Schachtwasserkraftwerk liefert saubere Energie für 80 Haushalte

Das erste Schachtwasserkraftwerk der Welt erzeugt Strom für rund 800 Haushalte und leistet so einen Beitrag für eine dezentrale Energieversorgung im Rahmen der Energiewende. Sie hat sich bereits mehrere Wochen am Netz bewährt, inklusive eines Hochwassers.

Das Schachtkraftwerk eignet sich sowohl für unterschiedlich große Flüsse als auch für unterschiedliche Fallhöhen. Ein TUM-Spinoff, die Hydroshaft GmbH des Ideengebers Albert Sepp, vergibt Lizenzen an Kraftwerksbetreiber. In Planung sind jetzt bereits zwölf Anlagen in der Iller, der Saalach, der Würm und im Neckar.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.