
Wende beim Verbrenner-Aus? Brüssel bremst Hochlauf der E-Autos brachial
EU-Kommission weicht CO₂-Emissionsziele für Autobauer auf.
Die Europäische Kommission hat einen höchst umstrittenen Vorschlag auf den Tisch gelegt: Die CO₂-Emissionsziele für 2025 sollen aufgeweicht werden. Gibt es weiterführend gar eine Wende beim Verbrenner-Aus? Statt die Einhaltung jährlich zu überprüfen, sollen die Autobauer bis 2027 Zeit bekommen, ihre Emissionen im Durchschnitt zu erreichen. Eine Entscheidung, die inmitten steigender Verkaufszahlen von Elektroautos und dem wachsenden Druck durch chinesische Hersteller für massive Kritik sorgt.
Die Brüsseler Behörde argumentiert, dass diese Flexibilität den Herstellern helfen solle, den Übergang zur Elektromobilität zu meistern und milliardenschwere Strafen zu vermeiden. Doch Kritiker sehen darin ein fatales Signal für E-Autos, das den Innovationsdruck mindert und den Klimaschutz ausbremst.
T&E schäumt: „Ein Geschenk an die Autoindustrie“
Die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) reagierte mit scharfer Kritik auf den Vorschlag. „Es ist ein Fehler, die Regeln mitten im Spiel zu ändern“, poltert Julia Poliscanova, Senior Director für Fahrzeuge und E-Mobility-Lieferketten bei T&E. „Die steigenden Verkaufszahlen von Elektroautos zeigen, dass das bestehende EU-Ziel funktioniert. Wenn man die Hersteller zwingt, mehr Elektroautos zu verkaufen, kommen auch die Käufer.“
T&E sieht in der Entscheidung ein „beispielloses Geschenk“ an die europäische Autoindustrie, die ihrer Ansicht nach die Gunst der Stunde nutzt, um die eigenen Versäumnisse zu kaschieren. „Dies muss die letzte Flexibilität sein, die den Autoherstellern gewährt wird“, fordert Poliscanova. „Lasst die Ziele für 2030 und 2035 ihre Arbeit tun und erschwingliche Elektroautos und Cleantech-Investitionen nach Europa bringen.“
Michael Bloss: „Wer geschlafen hat, bekommt Aufschub“
Auch aus der Politik kommt scharfe Kritik an dem Vorschlag. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss wirft der EU-Kommission vor, das Vertrauen in fairen Wettbewerb zu zerstören. „Die Botschaft der Änderung ist: Wer geschlafen hat, bekommt jetzt noch einmal Aufschub“, kritisiert Bloss auf Twitter. „Und wer früh investiert hat, wird abgestraft. So zerstört man Vertrauen und fairen Wettbewerb. Denn damit sagt man: Es lohnt sich nicht, sich an die Regeln zu halten – sondern zu lobbyieren.“
Bloss bemängelt zudem, dass die angeblich drohenden Milliardärsstrafen völlig übertrieben seien. „Selbst im Worst Case würden die Strafen weniger als 1 Mrd. Euro betragen“, rechnet der Grünen-Politiker vor. „Das ist weniger als ein Zehntel der Dividenden von BMW, VW & Co. im letzten Jahr.“
Von der Leyen knickt ein: Kommt auch die Wende beim Verbrenner-Aus?
Die Aufweichung der CO₂-Ziele ist jedoch nicht die einzige Hiobsbotschaft für den Klimaschutz. Anfang März signalisierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Autoindustrie bereits Zugeständnisse bei den Flottengrenzwerten. Doch damit nicht genug: Auch das Verbrenner-Aus ab 2035 könnte fallen.
Wie das „Handelsblatt“ unter Verweis auf interne Dokumente berichtet, wurde das Ziel auf Druck der Kommissionschefin aus einem neuen Papier gestrichen. In der ersten Version der „Verordnung zur Anpassung der CO2-Flottengrenzwerte“ hatte noch ein klares Bekenntnis zum Verbrenner-Aus gestanden. In der neuesten Version sucht man dieses jedoch vergeblich. Es scheint, als ob sich die Gegner der bisherigen Regelung in der Brüsseler EU-Kommission durchsetzen.
Ein Rückschritt für den Klimaschutz?
Die Aufweichung der CO₂-Ziele birgt die Gefahr, dass Europa seine Klimaziele verfehlt und den Anschluss an die internationale Konkurrenz im Bereich der Elektromobilität verliert. Kritiker warnen, dass die Entscheidung den Innovationsdruck mindert und den Übergang zu erschwinglichen E-Autos verzögert.
Es bleibt abzuwarten, ob die EU-Kommission an ihrem Vorschlag festhält oder ob sich die Kritiker durchsetzen können. Klar ist aber: Die Entscheidung hat das Potenzial, die Zukunft der Automobilindustrie in Europa maßgeblich zu beeinflussen – und zwar in eine Richtung, die nicht unbedingt mit den Zielen des Klimaschutzes vereinbar ist.
Was die EU-Kommission hier vor hat, ist in jedem Fall ein falsches und fatales Signal. Auf der Hannover Messe 2025 und der bauma 2025 wird gerade überdeutlich: Wer nicht elektrifiziert, wird vom Markt gefegt. Gerade jetzt den Herstellern wieder Alibis zu geben, nicht komplett zu elektrifizieren, ist im Angesicht dieser Transformations-Wahrheit purer Irrsinn. Eine der schlechtesten Entscheidungen aus Brüssel der letzten Jahre – die Wende beim Verbrenner-Aus sollte besser ein April-Scherz bleiben. Es ist aber keiner.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Schaut nach China! Die letzte Instanz an Vernunft auf diesem Globus. Haben die ein Verbrennerverbot? Nein! Haben die Sommer-Winter-Zeit? Nein! Ohne Hybridfahrzeuge wird der Übergang zur reinen E-Mobility nicht vernünftig möglich sein. Es gibt bei Weitem nicht genug Ladesäulen und auch nicht genug grünen Strom. Und wir Deutschen werden das Weltklima nicht retten können. Die ganze Diskussion ist vollkommen idiotisch. Wir sägen auf dem Ast, auf dem wir sitzen und die anderen lachen sich ins Fäustchen.
Lieber Jens,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
China als „letzte Instanz der Vernunft“ zu beschreiben, ist wahrlich grotesk. Ja, China tut glücklicherweise sehr viel für Solar, Wind, Wärmepumpen, Speicher, Elektroautos. Aber China senkt seine Emissionen zu langsam, missachtet Menschenrechte, etc.
Und nein: Wir haben nicht zu wenig Ladesäulen. Wir haben welche quasi an jeder größeren Straßenkreuzung. Der Hochlauf von Infrastruktur und verkauften Fahrzeugen muss Hand in Hand gehen. Das passiert, wenngleich durch politische Wirrköpfe immer wieder Unsicherheit in den Markt getrieben wird. DAS ist zu verurteilen.
Hybridfahrzeuge sind Alibis für Faulheit. Oft technisch besonders anfällig. Eher für Brände verantwortlich als reine Elektroautos. Daher kann ich Ihrer Argumentation auch in diesem Punkt nicht folgen.
Viele Grüße aus Leipzig,
Martin Jendrischik