Das Ende der Fahnenstange? WMO-Klimabericht 2024 lässt wenig Raum für Schönfärberei

Wir sind es gewohnt, dass Klimaberichte düster sind. Doch der jüngste WMO-Klimabericht 2024 der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zum Zustand des globalen Klimas im Jahr 2024 ist von einer anderen Qualität. Er ist nicht nur ein weiterer Weckruf, sondern gleicht eher einem markerschütternden Alarm, der uns unmissverständlich vor Augen führt, dass wir uns mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf eine Klimakatastrophe zubewegen – und dass die Zeit für kosmetische Korrekturen längst abgelaufen ist.

Wer gehofft hat, die schlimmsten Prognosen würden sich nicht bewahrheiten, wird von diesem Bericht bitter enttäuscht. 2024 hat gezeigt, dass das Klima bereits jetzt massiv aus dem Ruder läuft und dass die Folgen für Mensch und Umwelt verheerend sein werden.

Klimakrise im Jahr 2024: Rekordwerte, die Angst machen

Der WMO-Klimabericht 2024 zum globalen Klima im Jahr 2024 ist ein Dokument des Schreckens, das mit alarmierender Deutlichkeit zeigt, wie weit wir uns bereits von einem stabilen Klima entfernt haben. Die Daten sind erdrückend:

  • Globale Durchschnittstemperatur: 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 1,55 °C über dem vorindustriellen Niveau. Damit wurde nicht nur der bisherige Rekord gebrochen, sondern auch die symbolische 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens erstmals in einem Kalenderjahr überschritten.
  • Treibhausgaskonzentrationen: Die Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas in der Atmosphäre erreichten neue Höchststände. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass die CO2-Konzentrationen so hoch sind wie seit 800.000 Jahren nicht mehr. Das bedeutet, dass die Erwärmung, die wir heute erleben, bereits in der Vergangenheit unvermeidlich geworden ist und dass wir uns auf weitere, massive Veränderungen einstellen müssen.
  • Ozeanerwärmung: Die Ozeane nehmen den Großteil der Wärme auf, die durch den Treibhauseffekt entsteht. Im Jahr 2024 erreichte der Wärmegehalt der Ozeane einen neuen Rekordwert. Dies hat gravierende Folgen für marine Ökosysteme, die Artenvielfalt und die Stabilität des globalen Klimas. Die Versauerung der Ozeane schreitet ebenfalls voran und bedroht das Leben im Meer zusätzlich.
  • Meeresspiegelanstieg: Der globale Meeresspiegel erreichte im Jahr 2024 den höchsten Stand seit Beginn der Satellitenmessungen. Die Anstiegsrate hat sich in den letzten Jahren deutlich beschleunigt, was vor allem auf die beschleunigte Gletscherschmelze und die thermische Ausdehnung des Wassers zurückzuführen ist. Küstenregionen und Inselstaaten sind existenziell bedroht.
  • Gletscherschmelze: Die Gletscher schmelzen in einem alarmierenden Tempo. Der Zeitraum 2022-2024 weist die negativste Gletscher-Massenbilanz seit Beginn der Aufzeichnungen auf. Der Verlust von Gletschereis hat nicht nur Auswirkungen auf die Wasserversorgung, sondern verstärkt auch Naturgefahren wie Lawinen und Murgänge.
  • Extreme Wetterereignisse: Im Jahr 2024 kam es weltweit zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Stürme. Diese Ereignisse haben verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Infrastruktur und die menschliche Gesundheit. Besonders betroffen sind vulnerable Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern.
Grafik aus dem WMO-Klimabericht 2024 zur Erderwärmung bis 2024.

Was bedeutet das konkret?

Für Cleanthinking-Leser, die sich seit Jahren mit den Details der Energiewende und den Herausforderungen des Klimawandels auseinandersetzen, sind die Fakten aus dem WMO-Klimabericht 2024 keine Überraschung. Was jedoch schockiert, ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Krise zuspitzt und die zunehmende Klarheit, mit der die Wissenschaft die irreversiblen Folgen unseres Handelns aufzeigt.

Einige konkrete Schlussfolgerungen, die sich aus dem Bericht ziehen lassen:

  1. 1,5-Grad-Ziel ist kaum noch zu erreichen: Auch wenn die langfristige Erwärmung noch unter 1,5 Grad liegt, ist die Überschreitung dieser Marke in einem einzelnen Kalenderjahr ein deutliches Zeichen dafür, dass wir uns dem gefährlichen Bereich nähern. Selbst wenn wir die Emissionen drastisch reduzieren, werden die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten spürbar sein.
  2. Anpassung wird immer wichtiger: Neben der Reduktion von Emissionen müssen wir uns verstärkt auf die Anpassung an die bereits unvermeidlichen Folgen des Klimawandels konzentrieren. Das bedeutet Investitionen in den Küstenschutz, die Entwicklung klimaresistenter Pflanzen, den Aufbau von Frühwarnsystemen und die Anpassung der Infrastruktur an extreme Wetterereignisse.
  3. Soziale Gerechtigkeit wird zur Überlebensfrage: Die Auswirkungen des Klimawandels treffen vor allem die ärmsten und vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen. Umso wichtiger ist es, dass die Energiewende sozial gerecht gestaltet wird und dass die Kosten der Anpassung fair verteilt werden. Klimapolitik muss immer auch Sozialpolitik sein.
  4. Systemwandel ist unvermeidlich: Die Klimakrise ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern eine systemische Krise, die alle Bereiche unseres Lebens betrifft. Um die Klimakatastrophe abzuwenden, brauchen wir einen grundlegenden Wandel in unserer Wirtschaftsweise, unserem Konsumverhalten und unserem Umgang mit der Natur.

Was können wir tun?

Die gute Nachricht ist, dass wir nicht machtlos sind. Auch wenn die Herausforderungen enorm sind, gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, die wir ergreifen können, um die Klimakrise einzudämmen und ihre Auswirkungen zu mildern:

  • Energiewende beschleunigen: Der Ausbau erneuerbarer Energien muss massiv beschleunigt werden. Kohle, Öl und Gas müssen so schnell wie möglich aus dem Energiesystem verdrängt werden.
  • Gebäudesektor dekarbonisieren: Gebäude sind für einen erheblichen Teil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Sanierung von Altbauten und der Einsatz klimafreundlicher Baustoffe sind entscheidend.
  • Verkehrssektor umgestalten: Der Verkehrssektor muss auf Elektromobilität, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Förderung des Radverkehrs umgestellt werden.
  • Landwirtschaft nachhaltiger gestalten: Die Landwirtschaft muss auf eine nachhaltige Produktionsweise umgestellt werden, die den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln reduziert und die Artenvielfalt fördert.
  • Kreislaufwirtschaft fördern: Die Kreislaufwirtschaft reduziert den Ressourcenverbrauch und die Abfallproduktion. Produkte müssen langlebiger, reparierbarer und recyclingfähiger werden.
  • Konsumverhalten ändern: Wir müssen unseren Konsum reduzieren und auf nachhaltige Produkte und Dienstleistungen umsteigen.

Der WMO-Klimabericht 2024 ist ein Weckruf, den wir nicht ignorieren dürfen. Es ist an der Zeit, dass wir die Klimakrise als das erkennen, was sie ist: Die größte Bedrohung für unsere Zivilisation. Nur wenn wir jetzt handeln, können wir die schlimmsten Folgen noch verhindern und eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen sichern. Die Zeit für Ausreden ist vorbei. Die Zeit für Taten ist jetzt.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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