Cleantech-Startup Carbicrete zeigt kohlenstoffbindenen Betonblock, der ohne Zement auskommt.
Beton ist das am häufigsten verwendete Material für Gebäude, Brücken, Straßen oder Bordsteine. Mit dem wichtigen Bestandteil Zement sorgt Beton für acht Prozent der CO2-Emissionen. Mittlerweile gibt es Ansätze, das Klimaproblem zu lösen: Zementfreier Beton. Einer der Vorreiter bei der Entwicklung dieser grünen Alternative ist das kanadische Unternehmen Carbicrete. Welches Potenzial hat grüner Beton ohne klimaschädlichen Zement?
Die Kanadier von CarbiCrete stellen einen alternativen, zementfreien Beton her, der Kohlendioxid absorbiert, anstatt das Klimgas in die Atmosphäre abzugeben. Die Betonsteine sind sogar bis zu 30 Prozent stärker als herkömmliche Blöcke auf Basis von Zement. Das Cleantech-Unternehmen ist in der Phase der Kommerzialisierung – und will die Produktion auf 25.000 Einheiten pro Tag ausweiten.
Das Klimaproblem: Beton dekarbonisieren
Wie gewaltig die Aufgabe ist, Beton zu dekarbonisieren, zeigt diese Zahl: Pro Jahr werden mehr als 30 Milliarden Tonnen Beton produziert. Während der Weltmarkt für umweltfreundliche Baustoffe im Jahr 2020 ein Volumen von 270 Milliarden Dollar hatte, wird der Markt bis 2030 voraussichtlich auf mehr als 700 Milliarden Dollar wachsen. Daher suchen Betonhersteller intensiv nach Materialien, um den Zementverbrauch zu reduzieren – und die Umweltauswirkungen zu begrenzen.
Zement, genauer gesagt Portlandklinker, dient als Bindemittel in Beton und ist eine der Hauptquellen der weltweiten Kohlendioxidemissionen. Bei der Herstellung wird Kalkstein (CaCO3) bei hohen Temperaturen in einem Zementofen „gebrannt“, um Kalk (CaO) zu erzeugen, was zur Freisetzung von CO2-Emissionen führt.
Das herkömmliche Verfahren braucht 1.400 Grad Celsius – eine Hitze, die bislang mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird, um den Kalkstein zu erhitzen. Der Kalkstein wiederum zersetzt sich unter der Hitze und setzt mehr Kohlendioxid frei.
Zementfreier Beton mit dem Carbicrete-Verfahren
Carbicrete stellt nun kohlenstoffnegativen, zementfreien Beton her. Die patentierte Technologie zur Kohlenstoffentfernung nutzt industrielle Nebenprodukte und abgeschiedenes Kohlendioxid. „Für jede Tonne Beton, die mit dem CarbiCrete-Verfahren hergestellt wird, werden 150 kg (Kilogramm) CO2 vermieden“, erklärt Yuti Mytko von Carbicrete.
Das Unternehmen bietet Betonherstellern das Verfahren und die Unterstützung für die Einführung dieser Ersatztechnologie in ihren bestehenden Anlagen. Diese Technologie ermöglicht die Herstellung einer Vielzahl von vorgefertigten Baumaterialien. Nach Unternehmensangaben gehören dazu Bausteine, die bis zu 30 Prozent stärker sind (in Bezug auf die Druckfestigkeit) als herkömmliche, zementbasierte Blöcke.
In Bezug auf zwei Verfahrensschritte unterscheidet sich die Methode von der Produktion von zementbasiertem Beton: Erstens wird der Zement, der als Bindemittel dient, durch gemahlene Stahlschlacke ersetzt, ein Nebenprodukt der Stahlherstellung. Darüber hinaus erfolgt die Aushärtung des Betons nicht durch Wärme und Dampf, sondern durch die Verwendung von CO2 in einer speziellen, abgedichteten Absorptionskammer.
Im Zuge dieses Karbonatisierungsprozesses erfolgt eine langfristige Bindung von CO2, wobei es in stabile Kalziumkarbonate umgewandelt wird. Diese füllen die Hohlräume aus, wodurch eine dichte Struktur entsteht und dem Beton seine Festigkeit verliehen wird.
Die Herstellung von Betonsteinen erfolgt durch das Gießen der Mischung in eine herkömmliche Steinfertigungsmaschine. Laut den Informationen auf der Unternehmenswebsite erreicht der Beton innerhalb von 24 Stunden seine maximale Stabilität.
Mineralisierung von CO2 in Beton
Neben Carbicrete beschäftigen sich mit Neustark aus der Schweiz oder Carbonaide aus Finnland weitere Cleantech-Unternehmen mit zementfreiem Beton – zumindest als Endziel.
Konkret nutzen beide Firmen Kohlendioxid, etwa gewonnen aus biogenen Prozessen, um dieses bei der Betonherstellung einzubringen. Bei Neustark dockt sich das Kohlendioxid an der Oberfläche und in den Poren von Recyclingmaterial an – und wird so zu Kalkstein. Hierbei wird ein natürlicher Prozess so vereinfacht, dass er innerhalb weniger Stunden gelingt.
Carbonaide wiederum hat vor kurzem die ersten Produkte hergestellt, die dazu beitragen, die Kohlendioxidemissionen von Beton zu reduzieren. Letztlich entstehen sogar kohlenstoffnegative Produkte.
Fazit zum zementfreien Beton
Zementfreier Beton ist eine saubere Zukunftstechnologie, die sogar kohlenstoffnegative Materialien ermöglicht. Die Aufgabe, die Bauindustrie oder zumindest den Sektor für Beton und Zement zu dekarbonisieren ist aber eine, die wirklich hart wird. Es muss als Branche darum gehen, die Emissionen durch Prozessveränderungen soweit zu senken, dass klassisches Carbon Capture and Storage am Ende den Rest übernehmen kann – sich allein auf CCS zu verlassen, wäre aber töricht.
Lesen Sie mehr: Fossile Brennstoffe und CCS: Fauler Kompromiss bei COP28? (cleanthinking.de)
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.