Motor statt Muskel: Zweirad-Branche verkauft 2023 erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder

Zweirad-Boom hat 2022 zu Rekordjahr geführt: 2,6 Mio. Zweiräder produziert, 4,6 Mio. verkauft

Die Zweiradindustrie in Deutschland boomt weiter: Der Branchenumsatz mit Fahrrädern und E-Bikes hat sich in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht – von rund 2 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf 7,36 Milliarden Euro im Jahr 2022, wie der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) errechnet hat. Dabei profitieren die E-Bike- und Fahrrad-Hersteller insbesondere vom Trend zum Zweirad mit Motorunterstützung. 2023 könnten Elektrofahrräder muskelbetriebe Fahrräder erstmals überholen.

Der Zweirad-Branche kommt dabei vor allem der anhaltende E-Bike-Trend entgegen: Der ZIV und der VDZ Verband des Deutschen Fahrradhandels gehen davon aus, dass 2023 erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder verkauft werden. Motor schlägt Muskel sozusagen. Für die Hersteller, die sowohl E-Bikes und Pedelecs als auch Fahrräder anbieten, hat das positive Auswirkungen aufs Geschäft, die Durchschnittserlöse steigen. Denn der Preis für ein Fahrrad liegt bei lediglich 500 Euro – der Endkundenpreis für ein E-Bike dagegen bei 2.800 Euro.

Bei gleichbleibender Fahrradproduktion stieg die E-Bike-Produktion im Jahr 2022 um 20 Prozent auf 1,72 Millionen Zweiräder. Insgesamt hat die Branche 2,6 Millionen Räder für Muskel- oder Motor-Antrieb gebaut. Insgesamt verkaufte die Fahrradbranche 4,6 Millionen neue Räder – ein Plus um 300.000 Einheiten im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. 2,2 Millionen davon waren E-Bikes, womit der Marktanteil 48 Prozent erreichte. Motorunterstützte Zweiräder sind auf der Überholspüur.

„In einigen Produktgruppen, wie bei Mountainbikes oder Lastenrädern haben wir in Deutschland inzwischen eine sehr klare Dominanz bei unterstützten Fahrzeugen“, so Stork. Fast eine Million Mountainbikes wurden in 2022 verkauft, davon 836.000 als E-Mountainbikes (Anteil rund 90%). Die Fahrradindustrie hat sich insgesamt enorm weiterentwickelt, Innovationen bei den Produkten und Komponenten, Engineering und Design sind zentrale Treiber für einen weiter stark wachsenden Markt.

Zweirad-Industrie: Preisdruck und Rabatte

Ein Grund für den anhaltenden Boom ist neben der Verkehrswende allgemein (Verkehrswende News gibt es hier) auch der Preisdruck in der Branche, der für Verbraucher viele Rabatte bedeutet. Da es rund um die Corona-Zeit zu Lieferschwierigkeiten gekommen ist, füllten viele Hersteller und Händler ihre Lager im Nachgang besonders gut. So berichtet auch Zweirad Verband-Geschäftsführer Burkhard Stork im Handelsblatt, manch ein Unternehmen habe sicher zu viel bestellt und müsse nun die Lager mit Nachlass räumen.

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Die Fahrradbranche stellt das Massenverkehrsmittel der Zukunft zur Verfügung. „Zwei Drittel aller Alltagswege der Menschen in Stadt und Land lassen sich mit dem Fahrrad oder dem E-Bike problemlos bewältigen“, sagt Burkhard Stork.

„Wir erwarten in Bund, Ländern und Kommunen eine klar auf das Fahrrad ausgerichtete Politik. Profitieren würden davon alle, egal, ob sie das Fahrrad oder E-Bike schon nutzen oder nicht.

Die enormen Potenziale in der Freizeit und im Tourismus sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Das Potential für die Nutzung von Mountainbikes in Freizeit und Urlaub ist riesig. Um diesen nachhaltig weiterentwickeln zu können, ist vor allem eine eindeutige und bundesweite Regelung des Zutritts zur Natur notwendig. „Es darf kein Flickenteppich mit 16 unterschiedlichen Ländervorschriften entstehen“, so Stork.

Konzentrationstendenzen bei Herstellern

Aufgrund steigender Umsätze und hoher Wachstumsraten ist die Zweirad-Branche für Investoren attraktiv. So übernahm GBL vor zwei Jahren den Hersteller Canyon bei einer Bewertung von 800 Millionen Euro. Canyon produziert derzeit rund 250.000 Räder pro Jahr – darunter die besonders hochwertigen am Stammsitz in Koblenz. Nach der Übernahme sind aber weitere Ausweitungen der Produktion vorgesehen.

Erst kürzlich erwarb die Pon Holdings für 700 Millionen Euro die Fahrradtochter des kanadischen Mischkonzerns Dorel Industries. Zu dieser zählt unter anderem die Marke Cannondale.

Es ist zu erwarten, dass diese Konzentrationstendenzen bei Herstellern rund um Fahrrad und E-Bike in den kommenden Jahren weitergehen werden. Neben dem deutschen und europäischen Markt boomt auch der Zweirad-Sektor etwa in den USA.

Hintergrund zum ZIV

Der Zweirad Industrie Verband ist die nationale Interessenvertretung von etwa 100 einheimischen Herstellern aus der Fahrradbranche Deutschland.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.